Rede von Marsha Richarz am 12. Februar 2025 zur Vorlage "Gesamtstädtisches Umsetzungskonzept für öffentliche Sanitäranlagen der Stadt Leipzig"

- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Parteien, sehr geehrter Oberbürgermeister und Bürgermeister*innen, sehr geehrte Presse und sehr geehrte Gäste auf dem Rang.
Als ich vergangenes Jahr für den Stadtrat kandidiert habe, habe ich eines nicht gedacht: Dass ich hier mal über öffentliche Toiletten bzw. Sanitäranlagen reden werde. Doch warum eigentlich nicht? Schon an den Infoständen zeigte sich der große Bedarf, den die Bürger*innen bei mir geäußert haben.
Und das spiegelt sich auch in den Bürgervorschlägen zum Doppelhaushalt wider: Öffentlich zugängliche Toiletten sind auf Platz 1.
Bei uns in der Fraktion waren wir uns nicht sicher, wer für das Thema zuständig ist. Auf jeden Fall ein Thema für die Bürgerbeteiligung. Was ist mit Ordnung und Sicherheit? Ganz bestimmt, denn fast nichts ist so widerlich wie öffentliches Urinieren in unseren schönen Parks oder auf öffentlichen Plätzen – Verboten ist es auch noch und doch machen es viele, aus Mangel an Alternativen und aus der Notdurft heraus. Oder doch Umweltschutz – all die benutzten Taschentücher in den Büschen unserer Parks. Und natürlich Stadtentwicklung, Familie, Gesundheit, Soziales? Wir merken, das Thema geht uns alle an und deswegen bin ich sehr dankbar für diese Beschlussvorlage, vor allem auch aus inklusiver und gleichstellungspolitischer Perspektive.
Denn: Pinkeln ist politisch. Ich finde es sehr gut, dass wir hier in der Stadt Leipzig das Thema endlich angehen und nicht dem Beispiel Amsterdams folgen. Hier fanden jahrelang angetrieben von der Aktivistin Geerte Piening immer wieder Pinkelproteste von Frauen im öffentlichen Raum statt, weil es zu wenig öffentliche Sitztoiletten gab, viel weniger als Urinale – Ich bin doch ganz froh, dass uns diese Form des Protests erspart bleibt. Auch wenn ich doch immer wieder beobachte, dass Urinieren von Menschen mit männlichem Geschlechtsteil in der Öffentlichkeit meist toleriert und eben nicht als Protest bezeichnet wird, obwohl es genauso eine Ordnungswidrigkeit wie bei anderen darstellt. Aber dafür gibt es ja dank dieser Beschlussvorlage eine Lösung für alle Geschlechter und barrierefrei sind sie auch noch.
Lobenswert ist auch, dass alle Anlagen gleichermaßen kostenlos sein werden. Hier geht Leipzig mit gutem Beispiel voran, in anderen deutschen Städten kommt immer wieder die Problematik auf, dass Urinale frei zugänglich sind, Sitztoiletten aber kosten.
Wir sind uns einig: Kaum etwas ist nerviger als unterwegs eine volle Blase zu haben und dann eine Toilette suchen zu müssen – Die man dann meistens noch bezahlen muss, um dann die ungenutzte Sanifairbonsammlung zu erweitern.
Doch was haben öffentliche Toiletten eigentlich mit Teilhabe zu tun? Die Anzahl öffentlicher Toiletten entscheidet mit darüber, wie frei sich Menschen außerhalb ihrer vier Wände bewegen können.
Das betrifft beispielsweise die Hälfte unserer Bevölkerung - Nämlich die, die menstruieren. Ja, mir reicht es nicht nur über ein schambehaftetes Thema zu reden, ich nehme gleich noch eins dazu! Jeden Monat muss strategisch geplant werden wann und wo das Hygieneprodukt der Wahl gewechselt werden kann und das geht eben nur auf der Toilette. Hat man jederzeit die Möglichkeit dazu, erleichtert das den Alltag.
Den Alltag erleichtern die Toiletten auch für Mütter, die in Familien nachweislich immer noch mehr Sorgearbeit leisten, länger in Elternzeit gehen und somit länger mit den Kindern zu Hause sind. Öffentliche Toiletten, vor allem in Parks in der Nähe von Spielplätzen, ermöglichen ihnen raus zu gehen und am Leben draußen teilzuhaben. Denn wenn das Kind muss, dann muss es eben – und dann ist doch lieber eine Toilette in der Nähe zugänglich und kostenfrei.
Das betrifft Menschen mit Behinderung für die es oft eine große Hürde darstellt eine barrierefreie Toilette zu finden.
Das betrifft wohnungslose Menschen, die sich erzwungenermaßen im öffentlichen Raum bewegen und oft nur über Nacht Zugang zu Toiletten in den Unterkünften haben, aber tagsüber rausmüssen und sich den Euro für Sanifair eben nicht leisten können.
In einer alternden Gesellschaft betrifft das auch Senior*innen, die öfter Probleme mit Inkontinenz oder Darmerkrankungen haben. Auch sie müssen aus einem Sicherheitsbedürfnis nicht mehr zu Hause im stillen Kämmerlein bleiben, sondern können sich freier im städtischen Gebiet bewegen.
Das betrifft auch Tourist*innen, die sich stundenlang in unserer schönen Stadt bewegen und vor lauter Staunen über ihre Schönheit erst kurz vor knapp merken, dass sie mal müssen. Und nicht zu vergessen betrifft es auch die Menschen, die eine sogenannte Konfirmandenblase besitzen oder besonders gesund auf ihren Wasserhaushalt achten und einfach genug trinken.
Insgesamt werden diese Toiletten also für eine höhere Aufenthaltsqualität in der Stadt sorgen. Und es gilt: Pinkeln ist politisch. Das beweist diese Beschlussvorlage mit der die Stadt Leipzig einen wichtigen Schritt macht. Die nächsten Schritte dürfen dann bitte nicht die äußeren Bezirke vergessen, in denen auch öffentliches Leben stattfindet und stattfinden soll. Am Samstag im erweiterten Finanzausschuss wurde beispielsweise eine weitere Sanitäranlage im Mariannenpark bewilligt. Denn der Bedarf ist groß, das sehen wir an den drei Änderungsanträgen der Ortschafts- und Stadtbezirksbeiräte.
Damit all das, eine bedarfsgerechte Standortabdeckung, ein ressourcen-orientiertes Sanitärsystem, vertragsunabhängige Anpassungen und schnellere Planungs- und Aufbauphasen und alle weiteren benannten Gründe in der Vorlage weiterhin möglich sind plädieren wir als Bündnis 90/Die Grünen dafür, die öffentlichen Sanitäranlagen auch in öffentlicher, kommunaler Hand zu belassen. Auch wurde in den letzten Jahren eine ausgiebige Priorisierung der Standorte in Absprache mit Beiräten und Einbezug von Bürgerbeschwerden vorgenommen und eine Liste mit 40 Standorten erstellt – Einige davon wurden wie z.B. der Hauptbahnhof und der Marktplatz in vergangenen Ratsversammlungen bereits beschlossen. Diese Arbeit sollte nicht umsonst gewesen sein. Wenn das jetzt wieder neu aufgerollt wird, verlieren wir Zeit und Leipzig steht noch länger ohne dieses wichtige Angebot da. Daher lehnen wir den Änderungsantrag der CDU-Fraktion ab.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um ein positives Votum für die Beschlussvorlage.