Rede von Marsha Richarz am 12. März 2025 zu den Haushaltsanträgen "Stellen im Referat Beauftragte für Senioren und Menschen mit Behinderungen" und "Erhöhung der Stellen der Peerberatung"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Parteien, sehr geehrter Oberbürgermeister und Bürgermeister*innen, sehr geehrte Presse und sehr geehrte Gäste auf der Bühne und im Livestream,

stellen Sie sich vor, Sie sehen eine Ratsversammlung im Livestream, in der über Ihre Zukunft entschieden wird – aber Sie verstehen kein Wort. Nicht, weil die Themen zu komplex sind, sondern weil niemand da ist, der für Sie übersetzt. Das ist die Realität für gehörlose Leipzigerinnen und Leipziger.

Heute stelle ich Ihnen zwei Anträge vor, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken mögen, aber für viele Menschen in unserer Stadt den Unterschied zwischen Ausgrenzung und Teilhabe bedeuten.

Der erste Antrag fordert 1,5 Vollzeitstellen für Gebärdensprachdolmetscher*innen im Referat für Senioren und Menschen mit Behinderungen. Warum ist das so wichtig?

Aktuell müssen gehörlose Menschen in Leipzig oft monatelang auf Beratungstermine warten – einfach, weil keine Dolmetscher*innen verfügbar sind. Während Sie und ich jederzeit ins Bürgeramt gehen können, müssen gehörlose Bürger*innen wochen- oder monatelang auf einen Termin warten, bei dem jemand für sie übersetzt. Das ist keine Gleichberechtigung. Das ist strukturelle Diskriminierung.

Mit fest angestellten Dolmetscher*innen könnten wir Beratungstermine schneller verfügbar machen und unsere Sitzungen barrierefrei zugänglich machen – Ohne dabei wochenlang auf die Verfügbarkeit von externen zu warten.

Mein zweiter Antrag betrifft die Aufstockung der Peerberatung um 0,25 Vollzeitstellen. Die Peerberatung ist ein Erfolgsmodell: Hier beraten Menschen mit Behinderungserfahrung andere Betroffene – auf Augenhöhe und mit eigener Erfahrung. Die Nachfrage ist enorm, auch aus der Stadtverwaltung selbst. Doch die wenigen Stunden reichen bei weitem nicht aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, beide Anträge sind keine Luxusforderungen. Sie sind notwendige Schritte, um unsere eigenen Beschlüsse umzusetzen und internationales Recht zu erfüllen. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die auch Deutschland ratifiziert hat, verpflichtet uns, Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen zu gewährleisten.

Ich höre schon den Einwand: "Das kostet Geld, das wir nicht haben." Aber lassen Sie mich eines klarstellen: Es geht hier nicht um neue Ausgaben, sondern um eine Umverteilung vorhandener Mittel durch die Umwidmung der Stellen. Langfristig sparen wir wahrscheinlich sogar, wenn wir eigene Dolmetscher*innen beschäftigen, statt teure externe Dienstleister zu beauftragen.

Vor allem aber geht es um Glaubwürdigkeit. Wir können nicht einerseits stolz verkünden, dass Leipzig eine inklusive Stadt sein will, und andererseits die grundlegendsten Voraussetzungen für Teilhabe verweigern.

Ich weiß, dass diese Anträge heute in dieser Haushaltssituation wahrscheinlich keine Mehrheit finden werden. Aber ich stelle sie trotzdem, weil sie wichtig sind. Weil sie Menschen eine Stimme geben, die sonst oft überhört werden.

Leipzig ist eine Stadt, die für ihre Vielfalt und Offenheit bekannt ist. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass diese Offenheit wirklich allen Menschen gilt – auch denen, die gehörlos sind oder eine andere Behinderung haben.

Ich bitte Sie: Denken Sie über diese Anträge nach. Sprechen Sie in Ihren Fraktionen darüber. Und vielleicht finden wir gemeinsam einen Weg, um Leipzig zu der inklusiven Stadt zu machen, die wir in unseren Teilhabeplan beschwören.

Vielen Dank.

Zurück