Rede von Marsha Richarz am 12. März 2025 zum Haushaltsantrag "Beratung und Prävention zum Schutz von Männern vor häuslicher Gewalt"

- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Parteien, sehr geehrter Oberbürgermeister und Bürgermeister*innen, sehr geehrte Presse und sehr geehrte Gäste auf der Bühne und im Livestream,
wir haben heute schon berechtigt viel über die steigenden Zahlen über häusliche Gewalt an Frauen zu hören bekommen. Doch auch folgendes Szenario ist gar nicht so unrealistisch in unserer Stadt. Ein Mann steht mitten in der Nacht mit einem blauen Auge vor der Tür der Männerschutzwohnung in Leipzig. Er hat den Mut gefunden, der Gewalt zu Hause zu entfliehen. Doch was er hört: "Es tut uns leid, wir haben keinen Platz." Diese Szene ist kein Einzelfall. Im vergangenen Jahr mussten 63 Männer in Not abgewiesen werden – während nur 23 Hilfe finden konnten. Das sind 63 Menschen, die den schweren Schritt gewagt haben, Hilfe zu suchen, und mit leeren Händen dastanden.
Häusliche Gewalt kennt kein Geschlecht.
Unser heutiger Antrag ist eine sinnvolle Ergänzung unserer gemeinsamen Anstrengungen für eine gewaltfreie Gesellschaft. Wir haben bereits einen interfraktionellen Antrag zu Beratungsstellen bei sexualisierter Gewalt eingebracht. Jetzt geht es darum, das Hilfenetz zu vervollständigen.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Wenn fast dreimal so viele Männer abgewiesen werden müssen, wie aufgenommen werden können, haben wir ein strukturelles Problem. Die bestehende Männerschutzwohnung leistet das, was sie leisten kann, aber sie kann unmöglich den Bedarf decken. Besonders problematisch: Die ambulante Beratung ist bisher nur ein Nebenprodukt der Schutzwohnung – ohne eigenständige Ressourcen für Prävention und längerfristige Begleitung.
Wir stehen hier auch in der Verantwortung, einen demokratischen Auftrag umzusetzen. Der Stadtrat hat im Juni letzten Jahres mit überwältigender Mehrheit beschlossen, eine Beratungsstelle für gewaltbetroffene Männer einzurichten. Dieser Beschluss ist Teil unseres Gleichstellungsaktionsplans – aber findet sich nicht im Haushaltsplanentwurf. Jetzt ist es an der Zeit, diesen Worten Taten folgen zu lassen und die notwendigen 100.000 Euro für das Haushaltsjahr 2026 bereitzustellen.
Liebe Kolleg*innen, mit dem Antrag sorgen wir dafür, dass jeder Mensch, der von Gewalt betroffen ist, Hilfe findet. Damit brechen wir Tabus und kommen ins Gespräch über die Gewalt, die Männer erleiden.
Ich bitte Sie: Stimmen Sie diesem Antrag zu. Im Sinne der 63 Männer, die im letzten Jahr abgewiesen wurden und für alle Menschen in unserer Stadt, die ein Recht auf ein gewaltfreies Leben haben.
Vielen Dank.