Rede von Marsha Richarz am 16. April 2025 zur Vorlage "Anpassung der Elternbeiträge für die Betreuung der Kinder in den Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege der Stadt Leipzig"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Parteien, sehr geehrter Oberbürgermeister und Bürgermeister*innen, sehr geehrte Presse und sehr geehrte Gäste auf der Bühne und im Livestream.

Eine Erhöhung der Elternbeiträge ist sicherlich keine bequeme Entscheidung, kein Thema, mit dem man sich beliebt macht. Aber auch das gehört zu unserer Verantwortung als Mandatsträger*innen dazu.

Natürlich wünsche ich mir gratis Kitas für alle, andere Bundesländer bekommen das ja auch hin, Ich wünschte, einkommensabhängige Beiträge wären in Sachsen möglich. Dann würde es nämlich exakt die richtigen treffen. Aber dafür müssen andere Hebel betätigt werden. Wir sind hier aber Stand jetzt bei keinem Wunschkonzert, sondern in der Realität und mit einem kürzlich beschlossenen Haushalt, bei dem wir uns auch so einiges gewünscht und auch so einiges wichtiges beschlossen haben.

Liebe CDU, damit meine ich zum Beispiel Sie. Ich war nach dem LVZ-Artikel am Wochenende doch sehr erstaunt: Sie machen sich Sorgen um die Familien, die knapp an der Einkommensgrenze sind? Plötzlich scheinen Sie ein Klassenbewusstsein entwickelt zu haben? Gratulation zu dieser lang fälligen Entwicklung.

Das ist lobenswert und ich freue mich auf Ihre zukünftigen Entscheidungen für Menschen, die sich gerade so überhalb der Armutsgrenze bewegen. Im Haushalt lag ihre Priorität ja aber noch ganz woanders. Mit 6,5 Millionen für die Erschließung von Eigenheimgebieten zum Beispiel bei den zukünftigen Eigenheimbesitzer*innen. Junge Familien, die sich ein Eigenheim leisten können, können sich dann auch die erhöhten Elternbeiträge durchaus leisten.

Im Gegenzug haben Sie alle Haushaltsanträge, die Ihrer neu entdeckten Zielgruppe „Familien knapp über der Einkommensgrenze“ zugutekämen, nicht unterstützt. Zum Antrag zum erhöhten Betreuungsschlüssel in Kitas in Schwerpunktgebieten haben Sie sich enthalten, das war Ihnen also egal. Wir nehmen heute diese halbe Millionen Euro pro Monat von überwiegend besserverdienenden Familien bspw. für diesen besseren Betreuungsschlüssel in Kauf. Das ist eine pragmatische Entscheidung, die wir in diesem Fall, die wir heute, treffen müssen. Wenn wir heute als Stadtrat die Erhöhung der Elternbeiträge ablehnen siehts mit dem Betreuungsschlüssel eh duster aus, dabei sind wir da in Sachsen bundesweit die mit dem zweitschlechtesten.

Weitere Anträge für Familien haben Sie sogar abgelehnt: Die Instandhaltung von Spielplätzen, den Mehrbedarf für Schulsozialarbeit und Jugendhilfe, mehr Personal für den Fachdienst Eingliederungshilfe oder die Stärkung der Erziehungs- und Familienberatungsstellen. Aber schön zu sehen, dass Ihnen jetzt, plötzlich wirklich alle Familien wichtig sind, dann können Sie sich dafür ja auch nochmal auf Landes- und Bundesebene einsetzen, sodass wir als Kommune nicht dazu gezwungen werden ebendiese Familien zu belasten, oder? Zum Beispiel für mehr Gelder für die Kommunen oder gar für eine Beitragsfreiheit ab dem 3. Lebensjahr. Stattdessen wird laut Haushaltsentwurf das Kita Moratorium nun unmöglich gemacht und es gibt 15 Millionen € weniger vom Land an die Kommunen für die Kinderbetreuung. Statt hier zu kritisieren, könnten Sie endlich mal auf Landeseben handeln. Zeigen Sie uns durch Ihre sonstige Politik, dass Ihnen Kinder und Familien wirklich wichtig sind, dann glauben wir vielleicht auch mal wieder Ihren fadenscheinigen Aussagen in der Presse.

In der Politik geht es eben manchmal auch darum keine populären Entscheidungen zu treffen. Und Fakt ist: Die Sach- und Personalkosten sind seit 2017 immens gestiegen und müssen finanziert werden. Und zwar jetzt. Uns ist bewusst, dass es keine Eltern geben wird, die bei einer Erhöhung im Dreieck hüpfen, wir hatten aber auch schon Kontakt zu Eltern, die das gern in Kauf nehmen, wenn sie wissen, dass sie damit die Kitas stärken. Ihnen ist eine gute Betreuung in guter Umgebung wichtig. In dem Zusammenhang ist uns also bewusst, dass es Familien gibt, für die eine Erhöhung kaum spürbar sein wird. Diese Familien müssen wir nicht auf Kosten der Stadt entlasten. Ihre Beiträge sind in diesem Fall solidarische Beiträge. Denn die Frage lautet nicht: Wollen wir Familien belasten? Sondern: Welche Familien werden entlastet?

Vor allem ist uns bewusst, dass wir hier weitsichtig und langfristig handeln müssen. Seit 2017 gab es keine Erhöhung – Das war damals sicher eine stadtweit beliebte Entscheidung, hat über Jahre hinweg viele Familien entlastet und unterstützt. Ganz pragmatisch betrachtet führt aber auch diese Entscheidung nun zu einer plötzlichen, sprunghaften Erhöhung der Kosten. Wir sind in einem Ungleichgewicht, das sächsische Kitagesetz fordert eine Drittelung der Kitakosten: Aktuell kommen 30% vom Land, 60% von der Stadt Leipzig und nur 10% von den Eltern. Das ist offensichtlich keine Drittelung. Rein rechtlich soll dieses Ungleichgewicht nun durch die Erhöhung ausgeglichen werden.

Nach acht Jahren ohne jede Angleichung der Beiträge ist der Sprung jetzt natürlich größer und ungemütlich. Wir sind eben nicht Schritt für Schritt voran gegangen, wie andere Kommunen, sondern haben jetzt einen großen Sprung vor uns. Diesen Sprung hält der aktuelle Verwaltungsvorschlag für uns schon so klein wie nur möglich, uns wurde sogar eine Brücke gebaut hat. Nachdem alle Fraktionen hier im Raum die zuerst vorgeschlagene Erhöhung von Ihrem CDU Finanzbürgermeister Herrn Bonew im vergangenen Jahr um weit über 100€ pro Monat alle nicht akzeptiert haben und einen neuen Vorschlag gefordert hatten, ist die jetzige Erhöhung realistisch, zumutbar, maßvoll und im gesetzlichen Mindestrahmen. Wir bleiben auch mit dieser Erhöhung weiterhin eine der Kommunen mit den niedrigsten Beiträgen in Sachsen.

Als Tochter einer alleinerziehenden Mutter weiß ich, wie schwierig es ist mit einem zu geringen Monatsbudget zu haushalten. Die heutige Entscheidung fällt mir also nicht leicht. Doch genau diese Personengruppen, für die 11 bis 20€ zusätzlich im Monat immens viel sind, sind ausgenommen von der Erhöhung, etwa 30% sind in Leipzig freigestellt von den Beiträgen. Und wenn ich jetzt den emotionalen, persönlichen Aspekt aus dieser Debatte entferne und auf die aktuelle Faktenlage gucke, die ich bisher schon ausgeführt habe, dann kann ich, dann können wir, heute nur zustimmen.

Wir stehen als Bündnisgrüne für Weitsicht, wohl überlegte, faktenbasierte Entscheidungen und für eine zukunftsfähige Stadt. Wir appellieren zusätzlich an die Verantwortlichen in der Landesregierung, dass dort der Einsatz für Kinder und Familien verstärkt wird und den großprotzigen Worten der Kommunalpolitiker hier vor Ort entspricht. Damit wir nicht nochmal in so eine schwierige Entscheidungslage als Kommune kommen.

Wir trauen uns heute, unbeliebte Entscheidungen zu treffen, und verfallen hier keinen populistischen Versprechen an die Bürger*innen, die wir auf Dauer nicht halten können. Wir werden der Vorlage zustimmen. Für solidarische Kitabeiträge und für die Stärkung unserer Kitas. Und ich hoffe, Sie auch.

 

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