Rede von Marsha Richarz am 29. Oktober 2025 zum Steuerungskonzept für den Leistungsbereich Schulsozialarbeit
Foto: Martin Jehnichen- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Parteien, sehr geehrter Oberbürgermeister und Bürgermeister*innen, sehr geehrte Presse und sehr geehrte Gäste auf der Bühne und im Livestream,
die Schulsozialarbeit soll flächendeckend ausgebaut werden. So heißt es in einem bereits beschlossenen Ratsbeschluss. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat die Stadt folgende Lösung vorgeschlagen: Bei den Schulen, bei denen es zwei Stellen in der SSA gibt, wird die zweite Stelle reduziert. Gemeinschaftsschulen bekommen nur noch eine statt zwei Stellen. So werden Mittel frei, damit Schulen, welche mitunter schon lange einen deutlichen Bedarf haben, eine Stelle bekommen. Das wären also fünf neue Schulen, die mit Schulsozialarbeit ausgestattet werden können. Wenn wir heute dem Konzept zustimmen.
Zur Wahrheit gehört natürlich auch: Diese Indizierung wird auch dazu führen, dass von 2-4 Schulen die Schulsoziarbeit an andere Schulen verlagert werden muss. Auch dies geschieht nicht leichtfertig und spontan über Nacht, sondern erst, wenn sich dieser Trend mehrere Jahre in Folge bestätigt hat. Bei den betreffenden Schulen ist dies bereits heute der Fall.
Und ja, wir alle hier haben sehr, sehr viele Mails von Eltern, Lehrkräften und Schulsozialarbeitenden der Grundschulen bekommen, von denen die Stelle verlagert werden könnte. Ich habe alle gelesen, aber es waren eben auch so viele, dass ich nicht alle beantworten konnte. Ich habe mir die Zeit genommen um mit einer Mutter zu telefonieren und ich verstehe ihre Sorgen und Ängste. Eine fest etablierte Schulsozialarbeiterin, die eine Bindung zu den Schüler*innen aufgebaut hat, zu verlieren ist nicht leicht. Ich habe größten Respekt vor dieser Mobilisierung, denn sie zeigt, dass dort eine starke Schulgemeinschaft existiert. Die aber bestimmt nicht nur von der einen Schulsozialarbeiterin zusammengehalten wird. An dieser Schule gibt es Eltern, die miteinander im Gespräch sind und schnell ins Handeln kommen. Die in ihrem vollen Alltag noch Zeit finden sich hier zu engagieren, für ihre Kinder. Das verdient unseren Respekt. Dass sich hier Menschen für das Wohl ihrer Kinder einsetzen. Darin steckt eine große Kraft. Das ist beeindruckend und hat auch mich ins Nachdenken gebracht. Aber vielleicht nicht, wie sie jetzt denken:
Sicher gibt es auch an den lauten Schulen Kinder, die aus familiären Kontexten kommen, die eine gute Schulsozialarbeit erfordern. Aber es gibt ja auch Gründe, warum die 2-4 Grundschulen keine Sozialindexschulen mehr sind. Und ich frage mich vor allem: Wer setzt sich denn gerade lauthals und engagiert für die Kinder an den Schulen ein, denen laut Sozialindex schon länger eine Schulsozialarbeitsstelle zusteht? Wer macht sich dort für Kinder stark? Wer mobilisiert an diesen Orten? Sind dafür nicht wir da? Ist das nicht auch Teil unserer Verantwortung genau dann laut zu sein und den Scheinwerfer auf Dunkelfelder zu richten, um auf, zum Teil marginalisierte Gruppen aufmerksam zu machen, die nicht laut für sich selbst einstehen können? Sollten wir nicht sehen, wo es Hilfe und Unterstützung braucht, und diese dann geben, wenn es uns möglich ist? Zumindest ist das mein Anspruch in meiner politischen Arbeit.
Ist dafür nicht auch der Sozialindex da, den wir im Kern, so hatte ich es zumindest im letzten Jugendhilfeausschuss auch von den Freien Trägern verstanden, alle mittragen wollen. Dieser Index wurde doch entwickelt um objektiv entscheiden zu können, wo der Bedarf für die Schulsozialarbeit am höchsten ist und wo wir Stellen etablieren müssen? Dann frage ich mich nämlich, warum hier jetzt Änderungsanträge vorliegen, die unter subjektiveren Einflüssen entstanden sind. Wenn wir heute Bestandschutz für drei Jahre lang aussprechen, bedeutet das für die Schulen mit einem hohen Bedarf, dass sie weitere drei Jahre warten müssen.
Bisher hatten wir in Leipzig eine über die Maßen gute Lage in der Schulsozialarbeit. Wir alle hören aber Monat um Monat wie es um den Haushalt steht und wie er sich voraussichtlich weiter entwickeln wird. Denken Sie, dass der Haushalt in drei Jahren dann besser aussieht? Sollen die Schulen, denen laut Sozialindex eine Schulsozialarbeitsstelle jetzt zusteht noch weitere drei Jahre darauf warten? Kinder gehen vier Jahre zur Grundschule. Das bedeutet, dass die Kinder, die dort JETZT einen Bedarf haben, dann keinen Schulsozialarbeiter zu Gesicht bekommen werden, was eine enorme Auswirkung auf ihre Entwicklung haben könnte.
Mir wärs auch am liebsten, wenn wir hier keine Entweder-Oder Entscheidung treffen müssten und alle Standorte aufrechterhalten und gleichzeitig noch ausbauen könnten. Aber so funktioniert das aktuell leider nicht. Und wir müssen uns wohl alle in den nächsten Jahren mehr in Ambiguitätstoleranz üben und eben lernen, Gleichzeitigkeit aushalten.
Wir als Fraktion haben uns heute dafür entschieden die Sozialindexschulen mit hohem Bedarf auszustatten und werden auch mit der eben dargestellten Begründung dem Änderungsantrag der Linken nicht zustimmen, weil wir nicht wollen, dass die Sozialindexschulen weiter warten müssen. Und ich bitte auch die weiteren Anwesenden, über die detaillierten Folgen der Anträge nachzudenken. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.