Rede von Martin Biederstedt in der Ratsversammlung am 26. Februar 2020 zum Antrag "Liviaplatz zur Modellprojektzone erklären"

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermneisterinnen und Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,

bevor ich inhaltlich werde, möchte ich den Rat und die Zuhörenden bildlich mit dorthin mitnehmen, was eine Modellprojektzone Liviaplatz leisten soll und kann: bitte rufen Sie sich den aktuellen Burgplatz mit seinen schwarzen Steinquadern vor Augen. Die Oberflächengestaltung des Platzes und die Anordnung der Steinquader entfalten eine Lenkwirkung im öffentlichen Raum für alle Verkehrsteilnehmenden. Es geht kurz gesagt um Orientierung, wer wie unter welchen Umständen diesen Platz queren kann und wo gegebenenfalls Ruhepunkte und Rastmöglichkeiten auf dem Burgplatz bestehen. Bitte behalten Sie den Burgplatz also bei meinen nachfolgenden Ausführungen im Hinterkopf.

Der Liviaplatz befindet sich im Waldstraßenviertel. Ich persönlich bewerte ihn als ein Vorzimmer zum Rosental. Vom Liviaplatz gelangt man über eine Brücke ins Rosental und zum Louise-Otto-Peters-Platz. Sowohl Liviaplatz als auch die Brücke stellen unter den Anwohnerinnen und Anwohnern einen äußerst beliebten Zugang zum grünen Rund dar.
Seitens des ortsansässigen Waldstraßenvereins hörte man im Stadtbezirksbeirat Mitte ab 2017 von zwar geordneten Parkplatznutzungen auf dem Liviaplatz, jedoch wurden zunehmende Platzquerungen von Bussen sowie Kfz-Schleichverkehr als belastend geschildert. Beide Entwicklungen wurden u.a. für Fußgängerinnen und Fußgänger, die den Platz queren möchten, als störend und zunehmend verunsichernd dargestellt. Auf die Debatte zum Gestaltungszustand des Platzes – Stichwort „schmucklos“ - möchte ich hier aus Zeitgründen nicht weiter eingehen.
Die Stadtverwaltung präsentierte 2017 dem Stadtbezirksbeirat Mitte einen Gestaltungsentwurf für den Liviaplatz. Zusammen mit dem Waldstraßenverein wurde darüber öffentlichkeitswirksam diskutiert. „Ein neues Gesicht für den Liviaplatz“ titeln hierzu u.a. das Vereinsheft „Waldstraßen-Nachrichten“ im 3. Quartal 2017. Präsentiert wird ein Planentwurf der Stadtverwaltung, der 1. einen markierten und barrierefreien Übergang zur Brücke ins Rosental, 2. farblich markierte Parkraumbuchten und 3. Bäume sowie Sitzbänke aufzeigt. Der Verein spricht von einem „gemütlichen Kommunikationsraum für Bewohner“ und einem Win-Win-Konzept für Fußgänger, Anwohner und Parkraumsuchende. Der Stadtbezirksbeirat Mitte wollte die Debatte weiterführen und bat die Verwaltung darum, sich kontinuierlich mit diesem Platz auseinanderzusetzen und im Stadtbezirksbeirat darüber zu berichten.

Die Verwaltung aber hat diese Pläne augenscheinlich nicht weiterverfolgt. Ein Gespräch zur Fortsetzung der Debatte oder zur Umsetzung einer neuen Platzgestaltung sind mir nicht bekannt. Die Verwaltung ist gefühlt aus der damaligen Stadtbezirksbeiratssitzung gegangen und hat das geduldige Papier in die Schublade gepackt – kein Kontakt oder ein Wort seither dazu. Auch der Stadtbezirksbeirat Mitte hat trotz Nachfragen keine Informationen zum weiteren Bearbeitungsstand seit 2018 erhalten.

Mit dem Doppelhaushalt 2019/20 erhielten die Stadtbezirksbeiräte erstmals das Recht, eigene Haushaltsanträge ins Verfahren einzubringen. Der Stadtbezirksbeirat Mitte entschied sich 2018 dafür, 75.000 € zu beantragen. Von einer Platzumgestaltung war da nicht die Rede, aber eine Vorstufe - eine Modellprojektzone - sollte es bitte sein, d.h.: Platzmarkierungen, Pflanzenschalen und Bäume im Topf, Steinquader wie auf dem Burgplatz und/oder Sitzbänke. Modelliert werden soll ein Platz, der erstmals allen Verkehrsteilnehmenden Orientierung bietet, die Verweildauer auf dem Platz verlängern und verschiedene Durchwegungsvarianten austesten soll. Verschieden deshalb, weil hier nicht eine Variante modellhaft über drei Jahre eingerichtet und begutachtet werden soll, sondern bis zu drei verschiedene, zeitlich begrenzte Platzvarianten ausprobiert werden können. Nach drei Jahren gewinnen die Verwaltung und auch die Anwohner*innen dank einer Evaluation die entscheidenden Platz-Daten im Hinblick auf Verkehrsnutzung, Durchwegung und Platzinanspruchnahme durch Bewohner*innen und Verkehrsteilnehmende, die es braucht, um den Liviaplatz ab 2023 langfristig neu zu gestalten.

Am 13.02. wurde der Verwaltungsstandpunkt im Stadtbezirksbeirat Mitte vorgestellt und einstimmig für diesen gestimmt. Meine Fraktion trägt diese Entscheidung gern mit.
Sollte der Verwaltungsstandpunkt heute eine Ratsmehrheit finden, möchte ich die Gelegenheit hier zum Abschluss nutzen und dem Stadtbezirksbeirat Mitte, dem Waldstraßenverein sowie der Stadtverwaltung noch diese Worte mit auf den Weg geben:

Auch eine Modellprojektzone ist kein Selbstläufer! Die Anwohner*innen des Liviaplatzes, sprich die täglichen Nutzer*innen, müssen sie von Beginn an mitnehmen. Der Platz wird sich verändern. Aber Neues ruft anfänglich immer auch Distanz und Misstrauen hervor! Daher heißt es dann, an den Haustüren vor Ort zu informieren und auch das diesjährige Funkenburgfest für die Vorstellung des Konzeptes Modellprojektzone zu nutzen. Das bedeutet aus Sicht der Grünen Stadtratsfraktion, die Öffentlichkeit zu beteiligen an den zu erarbeitenden Platzmodellen und das im öffentlichen Raum. Das muss dann auch dazu führen, andere Bürgerinitiativen, die diesen Weg in Leipzig gerade in ähnlicher Weise gehen oder diesen bereits hinter sich haben, dazu mit einzuladen. Geben sie hier allen die Chance für Feedback und Austausch. Und unabhängig von der Modellprojektzone prüfen Sie bitte auch die Möglichkeit, die eventuell aufkommenden Ideen der Anwohner*innen und Nutzer*innen des Liviaplatzes, umzusetzen. Ich denke hier an sogenannte Parklets, sprich Aufenthaltsnischen, wie sie die Berliner*innen und Wiener*innen aktuell selbst einrichten und die auch schon im Leipziger Westen andiskutiert werden. Warum solche Trends an dieser Stelle verschlafen? Vielen Dank.

Foto: Fraktion
Foto: Martin Jehnichen

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