Rede von Michael Schmidt am 21. April 2021 zum Antrag Hilfen zur Erziehung und dessen Entwicklung in Leipzig

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Meine Damen und Herren,

wir haben hier einen Grundsatzantrag mit einem formulierten Auftrag zur künftigen Umsteuerung bei den Hilfen zur Erziehung vor uns. Ich möchte nochmal kurz in Erinnerung rufen, warum meine Fraktion diesen überhaupt eingereicht hat.

Die dramatisch angestiegenen Fallzahlen wie auch die damit verbundenen immensen Kosten – Sie erinnern sich an die Mehrbedarfsvorlage von über 40 Millionen Euro vor wenigen Monaten - stellen für die Stadt Leipzig und unsere Stadtgesellschaft ein ernsthaftes Problem dar.

Vergleichsanalysen zwischen Deutschlands Großstädten zeigen, dass Leipzig bei laufenden stationären Hilfen, also bei erzieherischen Hilfen außerhalb der Herkunftsfamilie, schon jetzt die bundesweit höchste Leistungsdichte aufweist (218 Fälle je 10.000 Einwohner unter 21 Jahren) – und die Tendenz zeigt weiter nach oben. Auch bei neu begonnen Hilfen hat die Herausnahme aus der Familie bzw. die Heimunterbringung den bundesweit höchsten Anteil. Das damalige Credo, ‚ambulant vor stationär‘ hat sich längst ins Gegenteil verkehrt. Und das, meine Damen und Herren, ist kein gutes Zeichen. Und so könnte ich Ihnen auch noch einige andere Statistiken aufführen, die uns allen ein Alarmsignal sein sollten.

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre führen uns auch vor Augen, dass ein undifferenzierter Ausbau der stationären Angebote die Probleme nicht löst, sondern nur weiter zementiert.

Denn wir bauen aus. Wir haben auch hier im Stadtrat in den vergangenen Jahren mehrere neue Einrichtungen diskutiert, beschlossen und so neu ans Netz gebracht. Dennoch muss man konstatieren, dass beispielsweise die Zahl der auswärtig stationär untergebrachten Kinder und Jugendlichen auf weitestgehend gleichem Niveau verharrt. Und damit meine ich nicht diejenigen, die aus guten Gründen außerhalb Leipzigs untergebracht werden, sondern die, für die es hier in Leipzig entweder kein passgenaues Angebot oder keine freien Plätze gibt.

Auch ein Personalaufwuchs, den wir ja im ASD durchaus hatten in den vergangenen Jahren, hat keine entscheidende Wende gebracht.

Dies alles und noch einiges mehr, deutet doch sehr darauf hin, dass wir ein grundlegendes Umsteuern in den eigenen Prozessen und Strukturen brauchen. Der Fokus muss viel stärker als bisher in einer unbedingten Unterstützung familiärer Strukturen und Netzwerke liegen, damit Kinder in der Familie verbleiben oder in diese zurückkehren können.

Für dieses Verständnis genügt ein Blick in den §34 SGB VIII, in dem es um die Heimerziehung geht. Da steht das Ziel ganz klar beschrieben. Da geht es um die Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie, um eine Rückkehr in die Familie zu erreichen. Und die Zahlen im Bereich der erfolgreichen Familienrückführungen sind schlichtweg viel zu niedrig, die Verweildauer in den Hilfen viel zu lang. Und durch unseren vergleichsweise sehr hohen Anteil an stationären Hilfen im Vergleich zu den ambulanten Familienhilfen oder auch den teilstationären Angeboten laufen in Leipzig eben auch die Kosten aus dem Ruder. Und da gehe ich mal nicht davon aus, dass unsere sozialen Probleme größer sind als die in Berlin, Dortmund und anderswo.

Die Herausforderungen, die vor uns stehen, fasst der Verwaltungsstandpunkt sehr treffend zusammen. Insofern möchte ich hier auch mal meinen ausdrücklichen Dank an Frau Bürgermeisterin Felthaus aussprechen, die hier ihre Verantwortung wahrnimmt. Die jahrelange Strategie des Wegsehens gehört spürbar der Vergangenheit an und das ist auch gut so, weil lange überfällig. Die im Alternativvorschlag benannten Maßnahmen sind allesamt richtig und dringend notwendig. Ich möchte auf diese jetzt nicht einzeln eingehen, sondern stattdessen auf die konkreten Ausführungen in der Begründung des Alternativvorschlages verweisen. Auch der Jugendhilfeausschuss wird sich seiner Verantwortung stellen und die Umsetzung dieser benannten Maßnahmen konstruktiv und eng begleiten. Wir beabsichtigen dafür einen zusätzlichen Unterausschuss zu gründen, der sich eben speziell mit der Thematik der Hilfen zur Erziehung befasst.

Ich möchte für meine Fraktion gern den Alternativvorschlag zur Abstimmung stellen. Wie gesagt, auch mit Verweis auf die Ausführungen in der Begründung nehme ich gern die Anregung des Jugendhilfeausschusses mit dem modifizierten Beschlussvorschlag auf, der dann folgendermaßen lautet:
„Mit Verweis auf die im Sachverhalt näher benannten Maßnahmen wird der Oberbürgermeister beauftragt…“
Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

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