Rede von Michael Schmidt in der Ratsversammlung am 23. August 2017 zum Antrag der Fraktion "Elektromobilität stärken - Weiterer Ausbau der Ladeinfrastruktur in Leipzig"

- Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
liebe Gäste,

die Bürgerumfrage zeigt, dass sich 17% der Leipzigerinnen und Leipziger einen Umstieg auf ein Elektroauto vorstellen können. Ich nehme mal an, dass sind in der Regel Menschen, die wir jetzt nicht so ohne Weiteres dazu bringen, vom eigenen Diesel oder Benziner auf Bus und Bahn bzw. das Fahrrad oder Car-Sharing, also die Mobilitätsangebote des Umweltverbundes, umzusteigen und so gänzlich auf ein eigenes Auto zu verzichten. Es wird sich in erster Linie um Menschen handeln, die aus unterschiedlichen Gründen auf ein eigenes Auto zumindest mittelfristig nicht verzichten wollen oder können.

Wenn wir uns für eine Förderung der Elektromobilität aussprechen und mit verschiedenen Initiativen darum bemühen, dann geht es uns eben genau um diese Menschen, die wir eben nicht kurz- bzw. mittelfristig und ausschließlich für den Umweltverbund gewinnen werden. Denn genau auch bei diesen Menschen müssen wir ansetzen und die Zahl zeigt denke ich sehr deutlich, dass viele von denen durchaus gewillt sind, von einem Verbrennungsmotor auf ein Elektroauto umzusteigen. Weil sie sich bewusst geworden sind, was insbesondere die Belastung der Stadt mit hohen Stickoxid-Werten für jede und jeden an gesundheitlichen Gefahren mit sich bringt.
Und ich bin auch davon überzeugt, dass wenn sich die Rahmenbedingungen, insbesondere die flächendeckende Verfügbarkeit einer Ladeinfrastruktur verbessert und sich auch an der Preisfront etwas tun wird, die Zahl der wechselwilligen Pkw-Besitzer schnell deutlich nach oben gehen wird.
Wie bringen wir diese Menschen – und seien Sie sich sicher, es werden immer mehr werden – wie bringen wir diese Menschen tatsächlich dazu, beim nächsten Autokauf nicht doch wieder zum Verbrenner zu greifen. Ich mutmaße mal, das erreichen wir nicht durch Kaufprämien wie den Umweltbonus. Das erreichen wir auch nicht dadurch, dass die Flotte der L-Gruppe und der Verwaltung mit Elektroautos durchaus Vorbildcharakter zeigt. Das erreichen wir auch nicht dadurch, dass man an einigen Ladestationen kostenfrei Strom tankt oder dass es rund um die Innenstadt privilegierte Stellplätze mit Lademöglichkeit für E-Autos gibt.
Den Umstieg erreichen wir nur dann, wenn wir in den Vierteln, wo genau diese wechselwilligen Menschen wohnen, tatsächlich auch im öffentlichen und halböffentlichen Raum Möglichkeiten schaffen, wo man künftig sein E-Auto nachladen und nicht nur parken kann. Und ich sage Ihnen, Herr Bürgermeister Albrecht – ich habe von einigen Menschen gehört, deren nächstes Auto ein Elektroauto sein soll, sobald der eigene Diesel oder Benziner die Hufe hochmacht, die sich aber die Frage stellen, wo sie dann ihren Akku wieder voll bekommen. Und diese Frage ist ein klares K.O.-Kriterium.
Ich will Ihnen mal die Zahlen der Bürgerumfrage verdeutlichen, die, wie ich Ihnen schon sagte, aus meiner Sicht deutlich nach oben gehen werden, wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern:
17% der Pkw-Besitzer können sich einen Umstieg auf ein Elektroauto vorstellen. Bei derzeit etwas mehr als 200.000 privaten Pkw entspräche das kurzfristig etwa 2.000, in den nächsten 5 Jahren 8.000 und in den nächsten 10 Jahren immerhin etwa 34.000 Pkw. Wie gesagt, ich halte diese Zahlen für deutlich ausbaufähig, sofern hier einmal eine Beschleunigung reinkommt. Und diese wird kommen, sei es durch billigere Serienproduktion von Akkus und Autos, steigende Preise für Verbrennungsfahrzeuge aufgrund strengerer Vorgaben im Realbetrieb, durch drohende Dieselfahrverbote und dem damit einhergehenden Wertverlust der Verbrenner. Nicht zuletzt wird bereits auf EU-Ebene die Einführung einer verbindlichen E-Auto-Quote diskutiert.

Es nützt also nichts, diese Entwicklung auszusitzen und zu warten, bis die Automobilindustrie aus der Hüfte kommt.
Ja, wir brauchen eine Bedarfsanalyse dahingehend, dass man die erwartete Entwicklung des Aufwuchses an Elektroautos in der Stadt zur Grundlage eines Ladenetzausbaus nimmt. Dort spielt auch die Frage hinein, welches Ladesystem sich letztlich auch durchsetzen wird, auch wie man die Bereitstellung von Ladeinfrastruktur gemeinsam auf mehreren Schultern im öffentlichen und halböffentlichen Raum verteilt und daraus auch ein Geschäftsmodell entwickelt. Diese Analyse entbindet uns aber nicht davon, ad hoc weitere Lademöglichkeiten in den Wohnvierteln außerhalb der Innenstadt zu schaffen. Denn sonst können wir uns auch die nächsten Schritte sparen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die Zeichen der Zeit erkennen und den Wandel zur Elektromobilität aktiv gestalten.Der deutliche Ausbau der Ladeinfrastruktur in der Stadt ist notwendig für das Gelingen der Mobilitätswende hin zu lokal emissionsfreien Antrieben. Diesen Ausbau muss die Stadt leisten, möglichst in Kooperation mit den Automobilherstellern, die ein klares Interesse daran haben müssten und auch mit Partnern der Wohnungswirtschaft. Lassen Sie uns loslegen, statt diese Notwendigkeit auf die lange Bank zu schieben, denn dann ist niemandem geholfen. Weder unserer Gesundheit, noch unserer Umwelt.
Und ich möchte in diesem Zusammenhang nochmal auf Ihre Vorlag, Herr Albrecht, „Stadt für intelligente Mobilität“ verweisen. Da steht im Datenblatt C6 geschrieben „Bedarfsgerechter Ausbau diskriminierungsfreier Ladeinfrastrukturen für E-Fahrzeuge“. Benannte Zile esind da u.a. der Aufbau intelligenter Ladeinfrastukturen, um die Elektromobilität zu fördern, Attraktivitätssteigerung zur privaten Anschaffung eines E-Fahrzeugs und mehr als 25 zusätzliche öffentliche Ladesäulen.

Kosten würden dann aber nur für eine Konzepterstellung entstehen. Und dann ist das alles wie so vieles anderes im Ideenstatus. Mit einer Konzepterstellung schafft man keinerlei Anreiz, sich ein Elektroauto anzuschaffen, das sollten Sie wissen, das widerspricht Ihrem erklärten und von mir zitierten Ziel. Sie schreiben selbst, dass man proaktiv voran gehen muss, um Anreize zu schaffen, nämlich mit der Schaffung öffentlicher Ladeinfrastuktur. Im Ausschuss hingegen postulieren Sie und Ihr Amtsleiter, die Ökobilanz von Elektroautos sei angeblich schlechter als von Verbrennern und wer weiß, welche Technologie sich in 5 Jahren durchsetzen würde. Da muss man sich schon fragen, ob Sie da Ihre Privatmeinung zum Besten geben oder ob Sie hinter Ihrem eigenen Konzept stehen, welches Sie dem Stadtrat vor vier Monaten vorgelegt haben! Sie hatten versprochen, dass wir die einzelnen Maßnahmen alle nochmal einzeln zur Umsetzung in den Stadtrat bekommen. Was passierte denn seitdem? Nichts.
Wenn wir so weitermachen, fährt Leipzig nicht stromaufwärts, sondern stromabwärts. Also lassen Sie uns handeln und stimmen usnerem Antrag bitte zu!

Es wurde kürzlich eine repräsentative Umfrage veröffentlicht, die zum Ergebnis kam, dass Die vorliegenden Daten legen die Vermutung nahe, dass die eher negativen Einschätzungen der Elektromobilität zumindest teilweise auf geringem Wissen und Vorurteilen beruhen.
Die Schweden-Studie, auf die man sich jetzt ständig bezieht und die sagt, die Herstellung eines Elektroautos würde so viel CO2 verursachen, wie ein Diesel nach 200.000 km in die Luft geblasen hat, macht beispielsweise keinerlei Aussagen zu den CO2-Kosten, die die Herstellung eines Verbrenners verursacht. Gewiss mögen die etwas niedriger sein. Bedenkt man dann aber, dass für einen Liter Diesel 4 Liter Erdöl raffiniert werden und somit bei einem Verbrauch von 5l auf 100km 20kWh verbraucht werden, sieht die Energiebilanz im Vergleich schon anders aus. Statt den 100km könnte beispielsweise ein Hyundai Ioniq 180 km weit fahren... Die Wartungskosten von Elektroautos liegen 35% unter denen der Verbrenner. Und, eines der Hauptargumente für Elektroautos – die Emissionen wie Stickoxide werden in den Städten, dort wo die Elektroautos hauptsächlich zum Einsatz kommen, auf Null reduziert.

Wir Grüne setzen uns seit vielen Jahren und Jahrzehnten für eine Energiewende ein, wir wollen 100% Erneuerbare, trotz bzw. auch mit der Elektromobilität! Auch jetzt sind wir bereits bei 35% Ökostromanteil, an Leipziger Ladesäulen tankt man Ökostrom und genau so soll es auch sein und weiter entwickelt werden. Die Energiebilanz von Elektroautos ist somit schon nach wenigen Tausend Kilometern besser als die der Verbrenner, auch wenn die Anhänger des Diesels dies nicht wahrhaben wollen. Wenn Autos und Akku dann auch noch mit Ökostrom produziert werden, sieht es noch viel besser aus. Da möchte ich nur daran erinnern, dass auf dem Stammwerk von BMW das gesamte Dach voller PV-Module ist. In Leipzig stehen dagegen nur drei Windmühlen im Wind, hier hat man kein Solardach und entsprechend keine so gute Ökobilanz wie man es relativ leicht erreichen könnte. Vielleicht sollte dies ja auch mal ein Anlass zum Nachsteuern sein.

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