Rede von Nuria Silvestre am 10. November zum Antrag "Teilhabe und unterstützende Strukturen für Familien mit Behinderungen sicherstellen"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeister*innen,
liebe Kolleg*innen,
liebe Zuschauende,
bei unserem Antrag geht es um unter anderem um selbstbestimmte Elternschaft von Menschen mit Behinderung. Das ist im Artikel 23 der UN-Behindertenrechtskonvention definiert. Deutschland ist daher verpflichtet die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Unterstützung dieser Familien zu schaffen.

Eins ist sicher: immer mehr Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen gründen eine Familie und werden Eltern. Erstens, weil immer mehr Menschen mit Behinderungen ihr Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung wahrnehmen. Und zweitens, weil Väter und Mütter immer älter werden, so dass alleine vom Alter her auch das Risiko von chronischen  Erkrankungen und Behinderungen zunimmt.

Erschwerend hinzu kommt, dass es leider immer noch viel Diskriminierung, Vorurteile und sehr viele bürokratische Hürden gibt. Um diese Herausforderungen zu stemmen,  müssen und wollen wir die erforderlichen Rahmenbedigungen für Betroffene und im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention verbessern. Eltern mit Behinderungen sollen sich um ihr Kind/ihre Kinder selbstbestimmt kümmern können und hierbei die wichtigsten Bezugspersonen sein und bleiben. Häufig kann so den Betroffenen direkt zu Hause geholfen werden. Unangemessene Trennungen von Familien und Kindern werden so erheblich reduziert. So leiden die Familien und vor allem die Kinder weniger. Die sogenannte Elternassistenz ist auch finanziell viel günstiger als eine getrennte permanente Fremdbetreuung.

Wir schlagen folgende konkrete Maßnahmen vor: Die Entwicklung eines Rahmenskonzept Elternassistenz mit dem Ziel ambulante sowie stationäre Unterstützungsangebote zu schaffen. Eine Einfache Assistenz unterstützt z.B. bei Kinderpflege, Essen vorbereiten, Begleitung bei Arztbesuchen oder Beaufsichtigung bei der Spielplatz. Bei einer Qualifizierten Assistenz (Begleitete Elternschaft) kommt hinzu z.B: Unterstützung bei der Erziehung und beim Wahrnehmen der Elternrolle. Zudem wollen wir die Prüfung, ob eine fachlich ausgerichtete Abteilung für Rehabilitation und Teilhabe im Jugendamt eingerichtet werden kann. Dies erscheint uns erforderlich, da die Leistungsansprüche von Kindern mit seelischen Beeinträchtigungen und Eltern mit Behinderungen sehr komplex sind. Hoffentlich werden die zu schaffenden Stellen möglichst mit qualifizierten Menschen mit Behinderung besetzt. Stichwort Peerberatung. Wir wollen die Akteur*innen der Eingliederungs- und Jugendhilfe in ihrer Arbeit somit stärken, nur so kann der Situation dieser Familien durch die Bereitstellung bedarfsgerechter Angebote verbessert werden.

Als letzten Punkt fordern wir die Einrichtung einer unabhängigen Clearingstelle “Rehabilitation und Teilhabe” im Referat für Menschen mit Behinderung.

Diese kann von Leistungsberechtigten bei Konflikten und Schwierigkeiten eingeschaltet werden, um möglichst unbürokratisch zu vermitteln und auf unbürokratische Lösungen ohne langwierige und teure Gerichtsverfahren hinzuarbeiten.
Gerade für Kinder mit sogenannten “Seelischen Behinderungen”, deren Kostenträger bei Teilhabeleistungen das Jugendamt ist, kann hier eine Ungerechtigkeit beseitigt werden, denn dieser großen Gruppe steht wegen der Kategorisierung “Seelische Beeinträchtigung” die Clearingstelle des Landes bei Problemen nicht zur Verfügung.

Wir denken, dass alle diese Maßnahmen wichtige Schritte für die Betroffenen, aber auch für Fall- oder Sachbearbeiter*innen durch beispielsweise eine fachlich spezialisierten Abteilung eine Entlastung darstellen.

Den Änderungsantrag der Fraktion Freibeuter können wir nicht übernehmen.
Eine unabhängige Teilhabeberatung durch mehrere Vereine steht bereits für Fragen zur Antragstellung und zur Information/Mediation zur Verfügung.
Zudem steht die unabhängige Clearingstelle explizit den betroffenen zur Verfügung, auch bei unterlassenen Handlungen seitens des Amtes, während der Änderungsantrag Betroffene wiederum abhängig vom Handeln des Amtes werden lässt.
Die von uns beantragte Clearingstelle ist unter anderem notwendig, weil Eltern mit Behinderungen immer noch aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert werden. Es muss ein Bewusstseinswandel auf Seiten der Fallbearbeiter*innen stattfinden, damit eigene Entscheidungen selbst kritisch hinterfragt werden können.

Daher ist es notwendig, eine unabhängige Clearingstelle zu haben, die weder von den Leistungsträgern noch von den Leistungserbringern abhängig ist, sondern den Betroffenen zur Verfügung steht.

Bitte berücksichtigen Sie bei Ihrer Entscheidung das sehr eindeutigen Votum des Behindertenbeirates sowie die eingereichten ausführliche Stellungnahmen von Expert*innen und wichtigen Akteuren in diesem Bereich.

Stimmen Sie daher bitte unserem Antrag im Interesse der vielen betroffenen Familien zu.

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