Rede von Sophia Kraft in der Ratsversammlung am 07.Oktober 2020 zum Thema Klimaneutrale Wasserstoffstadt

- es gilt das gesprochene Wort -

 

"Die Zukunft gehört allein dem grünen Wasserstoff"

Sehr geehrter Herr Oberbürgemeister,

sehr geehrte Dezernentinnen und Dezernenten,

sehr geehrte Damen und Herren im Saal und online,

Dieser Satz sind nicht meine Worte, sondern die von unserer Bundesforschungsministerin Anja Karliczek aus einem Interview mit dem Handelsblatt Anfang diesen Jahres.

Was bedeutet diese Aussage für uns auf kommunaler Ebene?

Mit unserem beschlossenen Klimanotstand, der eine klimaneutrale Energie- und Wärmeversorgung bis 2040 (spätestens bis 2050) für Leipzig festgelegt hat, müssen wir HEUTE den klimaneutralen Pfad einschlagen. Und dafür haben wir im Leipziger Raum die besten Voraussetzungen, wie folgende Beispiele zeigen:

  • Hypos als Innovationsprojekt der Metropolregion Mitteldeutschland,
  • Testanlage für klimafreundlichen Wasserstoff am Chemiestandort Leuna.

Über die Art des Wasserstoffs ist inzwischen eine regelrechte Farbenlehre-Diskussion ausgebrochen. Man hört von Grünem, Grauem, Blauen, und Türkisen Wasserstoff.

Ganz klar muss uns dabei sein, dass bei manchen dieser Wasserstoff-Produktionsarten – wie dem Grauen Wasserstoff, der aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird - wieder Tür und Tor den fossilen Energieträgern geöffnet wird.

Auch der Blaue Wasserstoff, was im Grunde Grauer Wasserstoff ist, dessen CO2 bei der Entstehung jedoch abgeschieden und gespeichert wird (engl. Carbon Capture and Storage, CCS), macht angesichts des Klimawandels keinen Sinn.

Denn egal, ob ich das CO2 in die Luft blase oder in den Boden presse – ich habe am Ende keine Kontrolle darüber.

Die einzig legitime Technik wäre neben dem Grünen Wasserstoff der Türkise Wasserstoff, bei dem CO2 als feste Materie übrig bleibt und der Kohlenstoff dauerhaft nicht verbrannt, sondern umgenutzt wird.

Manchen von Ihnen erscheint es jetzt vielleicht zu kleinteilig, was ich hier über die verschiedenen Wasserstoff-Farben erzähle.

Doch hier müssen wir lokal wirklich ganz genau drauf schauen, welche Technologiearten wir für die nächsten Jahrzehnte lostreten.

Wir wollen mit unserem Änderungsantrag klarstellen, in welche Richtung es gehen muss: Klimaneutralität.

Das heißt nicht, dass bereits bestehende Strukturen in Leipzig und in der Region umstandslos wegfallen, sondern dass auch diese Produktionsstrukturen sich auf den Weg zu einer klimaneutralen Wasserstoffinfrastruktur machen müssen.

Leitplanke muss immer die Klimaneutralität sein!

So können wir auch unseren Beitrag in Leipzig zum verschärften EU-Klimaziel, das heute vom EU-Parlament beschlossen wurde, leisten:

Nämlich, den CO2-Ausstoß bis 2030 nicht nur um 40 Prozent, sondern um 60 Prozent zu reduzieren.

Daher stimmen Sie bitte unserem Änderungsantrag zu!

VIELEN DANK

 

Hintergrund

Grüner Wasserstoff

Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für die Elektrolyse ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt. Unabhängig von der gewählten Elektrolysetechnologie erfolgt die Produktion von Wasserstoff CO2-frei, da der eingesetzte Strom zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammt und damit CO2-frei ist.

Grauer Wasserstoff

Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. In der Regel wird bei der Herstellung Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt (Dampfreformierung). Das CO2 wird anschließend ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben und verstärkt so den globalen Treibhauseffekt: Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen rund 10 Tonnen CO2.

Claudia Kemfert UFZ Energy Days: CO2 Emissionen bei H2 Herstellung: 318 g/kWh LHV; im Vergleich Erdgas: 246g/kWh LHV; LHV = lower heating value/Heizwert

Blauer Wasserstoff

Blauer Wasserstoff ist grauer Wasserstoff, dessen CO2 bei der Entstehung jedoch abgeschieden und gespeichert wird (engl. Carbon Capture and Storage, CCS). Das bei der Wasserstoffproduktion erzeugte CO2 gelangt so nicht in die Atmosphäre und die Wasserstoffproduktion kann bilanziell als CO2-neutral betrachtet werden.

Türkiser Wasserstoff

Türkiser Wasserstoff ist Wasserstoff, der über die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt wurde. Anstelle von CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff. Voraussetzungen für die CO2-Neutralität des Verfahrens sind die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen, sowie die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs. Die eigentliche Herausforderung ist es, ökonomisch sinnvolle Verwendungen für große Mengen Kohlenstoff zu finden. Von vier Kilogramm Erdgas bleiben nach der Pyrolyse drei Kilogramm Feststoff übrig. Eine Möglichkeit wäre die Weiterverarbeitung für metallurgische Anwendungen oder zu Graphen für Zukunftsanwendungen in Superkondensatoren und zur Meerwasserentsalzung. Will man den Kohlenstoff stattdessen zunächst nur deponieren, ließen sich dafür zum Beispiel Braunkohle-Tagebaue nutzen. Reiner Kohlenstoff wäre bestimmt nicht bedenklicher als das, was vorher in den Gruben war.

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