Rede von Sophia Kraft in der Ratsversammlung am 30. Oktober 2019 zum Antrag „Ausstieg aus dem Fernwärmebezug aus Lippendorf“

-es gilt das geprochene Wort-

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
liebes Jugendparlament, werte Gäste,

gleich zu Beginn meiner ersten Rede hier in der Leipziger Ratsversammlung habe ich eine Frage für Sie mitgebracht: Worauf macht dieses Dreieck aufmerksam?

Nein, es soll keine umgedrehte Merkel-Raute darstellen...

Dieses sogenannte Zieldreieck der Energiepolitik wird in Deutschland aus Paragraph 1 des Energiewirtschaftsgesetzes abgeleitet und betont die energiepolitischen Ziele:

Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz. Diese drei stehen in einem starken Spannungsverhältnis zueinander. Nichtsdestotrotz sind sie gleichgewichtig und sollen gleichzeitig erreicht werden – auch auf kommunaler Ebene - auch hier in Leipzig.

Das Zukunftskonzept für eine nachhaltige Wärmeversorgung der Leipziger Stadtwerke berücksichtigt diese drei energiepolitischen Ziele.

Erstens wird dem Umweltschutz Rechnung getragen.

Die Fernwärmelieferungen aus dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf sollen mit dem Bau neuer Anlagen kompensiert werden. Denn das Lippendorfer Kohlekraftwerk zählt zu den zehn größten CO2-Emittenten Europas[1] und zu den größten Quecksilber-Emittenten Deutschlands[2]. Das ist eine Gefahr für die Gesundheit der Leipziger Bürgerinnen und Bürger. So sieht das Zielportfolio der Leipziger Stadtwerke nun einen umweltfreundlicheren Technologie-Mix aus - unter anderem - Biomasse, Solarthermie, Wärmespeicher und einer Gasturbinen-Anlage vor. Für uns Grüne ist klar, dass Erdgas hierbei nur eine Brückentechnologie sein darf. Wir müssen jetzt schon bei dem Bau neuer Quartiere - wie dem Bayerischen Bahnhof -  die Weichen für eine klimaneutrale Strom- und Wärmeversorgung bis 2040 legen, indem wir Nahwärme- und Niedrigtemperaturnetze ausbauen. Auch auf Leipzigs Dächer müssen deutlich mehr Solar- und Photovoltaikanlagen installiert werden.

Zweitens wird die Gesamtwirtschaftlichkeit der Wärmeversorgung durch das Zukunftskonzept trotz des hohen Investitionsvolumens verbessert. Wie ist das zu erklären?
Für den Bau der neuen Gasturbinen-Anlage werden die Leipziger Stadtwerke Bundesförderungen erhalten. So bleibt auch zukünftig die Wärme für unsere Leipzigerinnen und Leipziger bezahlbar.

Laut aktueller Berechnungen von der Denkfabrik Carbon Tracker[3] werden deutsche Stein- und Braunkohlekraftwerke im Jahr 2019 schätzungsweise bis zu 1,9 Milliarden Euro Verluste schreiben. Gründe dafür sind steigende CO2-Preise und sinkende Kosten für erneuerbare Energien.

Die Verluste werden auch das Lippendorfer Kohlekraftwerk treffen und in Folge den Kraftwerksbetreiber voraussichtlich dazu bringen, höhere Kosten für seine Fernwärmelieferungen zu veranschlagen. Diesen Kostenerhöhungen müssen wir entgehen und begrüßen es, dass durch den Bau neuer Anlagen in städtischer Hand regionale Wertschöpfung angekurbelt wird.

Und nun kommen wir - drittens – zum wohl interessantesten Punkt der heutigen Debatte: der Versorgungssicherheit.

Zunächst möchte ich alle hier im Raum anwesenden Zuhörenden darauf aufmerksam machen, in welcher Hand unsere Fernwärmeversorgung derzeit liegt. Neben EnBW, betreibt das Braunkohleunternehmen LEAG einen der beiden Kraftwerksblöcke. Die LEAG gehört zur tschechischen Energie- und Industrieholding (kurz EPH).

Studien vom Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung[4] und Greenpeace[5] zufolge handelt es sich bei der EPH um einen äußerst intransparenten Konzern, der weltweit in Steuerparadiesen agiert und dort teils fragwürdigen Geschäften nachgeht.

Nun stellt sich mir die Frage: Für wie lange wollen wir noch Geschäftsbeziehungen mit solch einem Unternehmen eingehen?

Natürlich müssen wir dafür sorgen, dass unsere Leipzigerinnen und Leipziger auch bei unvorhergesehenen Verzögerungen oder bei Ausfall von Anlagen nicht im Kalten sitzen. Doch dafür braucht es keinen weiteren Langzeitvertrag über mehrere Jahre mit der LEAG nach Ende der jetzigen Verträge zum 30. September 2022. Ein solcher Langzeitvertrag würde Mindestabnahmemengen implizieren. Wir müssten also Fernwärme nach 2022  abnehmen, auch wenn wir diese gar nicht benötigen. Wir Grünen möchten die Leipziger Bürgerinnen und Bürger vor Zahlungen für unnötige Fernwärme-Abnahmen schützen. Daher fordern wir die Stadtwerke Leipzig dazu auf, heute einen Optionsvertrag mit der LEAG zu verhandeln, so dass sie Fernwärme vorhalten und dafür nur eine Optionsprämie erhalten. Ob wir die Fernwärmelieferung benötigen, wird sich dann nach der von uns im Antrag geforderten Evaluierung im Jahr 2021 zeigen.

Lassen Sie uns heute zusammen zugleich einen umweltverträglichen, wirtschaftlichen und versorgungssicheren Schritt in die Zukunft machen und gemeinsam die Energiewende hier in Leipzig konkret voranbringen.

Vielen Dank!



[1] Deutschlandfunk Nova (2019): https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/co2-top-10-der-umweltsuender

[2] Leipziger Internet Zeitung (2018): https://www.l-iz.de/politik/region/2018/05/Wo-landet-eigentlich-das-Quecksilber-aus-den-Emissionen-des-Kohlekraftwerks-Lippendorf-217353

[3] Photovoltaik (2019): https://www.photovoltaik.eu/Archiv/Meldungsarchiv/article-892255-110949/milliarden-verluste-bei-kohlekraftwerken-.html

[4] DIW (2017): https://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.552191.de

[5] Greenpeace (2017): https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/20170117_greenpeace_schwarzbuch-eph-leag.pdf

Zurück