Rede von Sophia Kraft in der Ratsversammlung am 10. Juni 2020 zum Antrag "Beitritt zum globalem innovativen Städtebündnis "Fab City Network"
- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Dezernentinnen und Dezernenten,
liebe Stadtratskolleg*innen,
liebe Gäste im Saal und online,
nachdem wir die ersten Wogen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise in Leipzig kurzfristig
- beispielsweise mit dem Solo-Selbstständigen-Programm – geglättet haben, dürfen wir uns jetzt keine Verschnaufpause gönnen. Jetzt ist die Zeit gekommen, zu überlegen, wie wir mittel- bis langfristig auf die Krise reagieren.
Eine aktuelle Spiegel-Umfrage aus diesem Monat zeigt, dass die Deutschen von der Globalisierung abrücken. Im Land des Exportchampions Deutschland war lange klar: Die Mehrheit sieht die Globalisierung als Chance. Doch die Verhältnisse drehen sich jetzt ins Gegenteil. Die Mitte der Gesellschaft denkt um. Fast 60 Prozent der Befragten empfinden die Globalisierung als Risiko.
Der Anteil der Globalisierungsbefürworter*innen schrumpft nicht erst seit den Ausbrüchen des Coronavirus. Er geht bereits seit Längerem sukzessive zurück.
Doch wie reagieren wir Politikerinner und Politiker auf solche Ängste? Zurück ins Mittelalter? Abschottung wie Trump es fordert?
Natürlich sind das nicht die richtigen Antworten! Ein Mittelweg ist durchaus möglich:
Wir können uns in der Tat unabhängiger vom CO2 intensiven Im- und Export von Gütern machen und der Gefahr von Lieferengpässen in weiteren Krisen zuvorkommen, indem wir einen höheren Grad der Selbstversorgung erreichen.
Was meine ich damit?
Die Produkte der Zukunft können global entworfen, das Coding für die Herstellung durch 3-D-Drucker über Open Source zur Verfügung gestellt und dann lokal gefertigt werden. Ein polnisches Unternehmen beispielsweise hat in der Corona Krise eine Anleitung zur Herstellung eines Open-Source-Beatmungsgerätes entwickelt. Überall dort, wo es Lieferengpässe gibt, mit einem 3-D-Drucker schnell und einfach herstellbar – rettet Leben.
Genau diese Idee, Globalisierung nicht als Risiko, sondern als weltweites Wissensnetzwerk anzusehen, vertritt das globale innovative Städtebündnis Fab City Network. Ziel des Fab-City-Netzwerks sind die Entwicklung neuer Ideen und Strategien für ein Nachhaltiges Wirtschaften und der Austausch des entstehenden Wissens.
Konkret geht es darum, Energie, Nahrungsmittel und Produkte lokal zu produzieren, um die ökologischen Auswirkungen auf den Planeten und soziale Missstände (wie Ausnutzen von Niedriglohnarbeit) zu reduzieren und Erfolgsmodelle über offene Netzwerke weltweit auszutauschen.
Das Fab-City-Netzwerk wurde 2014 ins Leben gerufen und hat inzwischen weltweit 34 Mitglieder, darunter Städte unterschiedlicher Größe wie Boston, Mexico-City oder Amsterdam. Leipzig wäre nach Hamburg das zweite Mitglied des Netzwerks in Deutschland und würde damit den Innovationscharakter Leipzigs bundesweit und insbesondere im ostdeutschen Raum herausstellen.
Auch in Leipzig haben wir schon ein paar dieser offenen Werkstätten, die international „fabrication laboratories“ (kurz „Fab Labs“) genannt werden.
Diesen Winter haben wir mit unserer Grünen Wirtschaftstour den Makerspace Leipzig besucht und konnten dort neben Elektro- und Holz-Reparaturarbeiten auch kreative Produkte aus 3D-Druckern bestaunen. Solche Innovationsorte, wo Menschen sich gegenseitig weiterbilden, nicht nur zu konsumieren, sondern selbst Hand anzulegen, müssen gefördert werden.
Deshalb begrüßen wir den Verwaltungsstandpunkt zu unserem Antrag, der eine Gründungsförderung für Leipziger Fab Labs verspricht und bei Interesse der Akteure auch eine Bewerbung im internationalem Fab-Lab-Netzwerk unterstützt.
Wir bitten daher um Ihre Zustimmung zum Verwaltungsstandpunkt– vielen Dank!