Rede von Stadtrat Dieter Deissler in der Ratsversammlung am 07. September 2017 zur Vorlage der Verwaltung „Verwaltungsunterbringung Otto-Schill-Straße 2“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Werte Gäste,

- es gilt das gesprochene Wort -

wir haben uns zu Beginn unserer Amtszeit verpflichtet, uns immer nach bestem Wissen und Gewissen für oder gegen eine Vorlage und nur in der Sache zu entscheiden. Anlässlich der Verpflichtung von Frau Moritz heute, wurden wir daran noch einmal erinnert. Aber haben wir alle das beste Wissen und die notwendigen Informationen, um uns inhaltlich bei diesem Thema die richtige Meinung bilden zu können? Konnten wir aus der Vorlage die Informationen entnehmen, die uns eine Meinungsbildung möglich gemacht hätte?

Schnell wurde mir deutlich, dass ich für mich differenzieren muss
- was ist falsch,
- was ist weniger gut und
- was ist gut?
Falsch und irreführend waren die meisten Presseberichte, weniger gut war die Aufbereitung der Vorlage und der Verfahrensweg, gut sind der Standort, das Gebäude und der Mietvertrag – einzig und alleine letzteres sollte aber das Wesentliche für unsere Abwägung heute sein.

Im Detail:
Was war falsch?
Die Argumentation in den Medien war unsachlich und teilweise auch falsch. Hier wurde den Bürgern ein völlig falsches Bild vermittelt. Es gibt weder Wohlfühl-Oasen, noch gibt es eine luxuriöse Ausstattung. Die Flächen, wie sie angemietet wurden, werden allesamt zwingend benötigt, weil es sich eben nicht nur um normale Büroarbeitsplätze
handelt, sondern in großen Teilen um öffentlich zugängliche Flächen für Bürgeranliegen, Bürgerinformation u.v.m.

Und Begriffe wie Luxusausstattung sind völlig unangebracht. Für die Bestellung gibt es ein Einkaufshandbuch und eine Dienstleistungs-Richtlinie und vor allem gibt es Regelprozesse, wer was bestellt. Und es gibt technische Anforderungen. Die Privatsphäre der Bürger bei Beratungen muss gewahrt werden, dies ist nur realisierbar, wenn bei der Raumakustik und dem Schallschutz hohe Standards angesetzt werden, wichtig ist ebenso die Zweckmäßigkeit des Arbeitsplatzes, um die Bearbeitungszeit für den Bürger zu minimieren.

Bei der Einrichtung für eine so zentrale Anlaufstelle, und Begegnungsstätte für Bürger – mit jetzt schon hunderten Besuchern und Kundenkontakten täglich – handelt es sich um Zweckmöbel im völlig üblichen Rahmen mit standardisierten technischen Anforderungen. Nur - die Möbel sind eben neu und wurden nicht von einem An- und Verkauf oder vom Flohmarkt besorgt.

Im Zusammenhang mit dem dritten Nachtrag wurden in der Presse erneut Begriffe wie Schaden oder Mehrkosten gebraucht.

Nein, wegen des Nachtrags für die benötigte Fläche ist kein Schaden entstanden – kein einziger Cent!

Und Mehrkosten? ja, wenn ich mehr Fläche anmiete, habe ich auch mehr Miete zu zahlen - das ist doch selbstverständlich.

Was war weniger gut?
Das war der Verfahrensweg. Ich nehme an, das haben alle Beteiligte erkannt und würden dies heute in jedem Falle anders und besser machen. Ich möchte jedoch unterstellen, dass einerseits die Annahme bestand, dass mit der vom Stadtrat bestätigten Vorlage und der darin enthaltenen Option (für 672 m²), die Anmietung der Restflächen legitimiert gewesen sei und andererseits mit der Unterzeichnung des Mietnachtrags - im Auftrag des OBM - einzig und allein die Intention bestand, die weiteren Bauarbeiten nicht aufzuhalten und das neue Bürgerzentrum den Mitarbeitern der Verwaltung als auch den Bürgern, möglichst schnell zur Verfügung stellen zu wollen.

Deshalb die Bitte und den Appell an Sie alle - vermischen Sie bei der Abstimmung nicht eine vernünftige Lösung in der Sache mit anderen Beweggründen. Es ist der Stadt bis jetzt kein Cent Schaden entstanden.
Der Schaden kann aber entstehen, wenn die Vorlage abgelehnt werden sollte und der Mietvertrag damit nicht rechtsgültig werden kann und die Bauarbeiten nicht weitergeführt werden können, ganz zu schweigen von
den dadurch verhinderten Ein- und nachfolgenden Umzügen. Die gesamte Umzugskette würde sich verschieben.
Weniger gut war auch die Kommunikation des Flächenbedarfs.

Von einem Flächenverbrauch von fast 40 m² pro Mitarbeiter bei der Einbringung zu sprechen, war leichtfertig und irreführend. Irreführend deshalb, weil darin alle Flächen enthalten sind, die für Angebote der verschiedensten Themengebiete im Gebäude benötigt und für die Bürger vorgehalten werden.

Hinzu kommen Wartebereiche, Anmeldung, Flure bzw. Verkehrsflächen, Ausstellungs- und Beratungsflächen u.a.
Richtig ist ein Flächenverbrauch von unter 14 m² pro Mitarbeiter. Das jedoch ist eine völlig übliche und angemessene Größe. Das ist ein ganz normaler Ansatz - wenn man nicht gerade Callcenter als Vergleich betrachtet.

Die zusätzlichen Flächen im UG für Aktenarchiv anzumieten ist absolut vernünftig und sinnvoll.
Nur Akten die permanent gebraucht werden, gehören in die Nähe des Arbeitsplatzes – es wäre aus Sicht des Bürgers nicht zumutbar, wenn der Sachbearbeiter wegen jeder Kleinigkeit erst in den Keller laufen muss oder sich gar aus einem ausgelagerten Archiv die Akte bestellen muss.

>>>>>> alles andere aber gehört in ein günstigeres Archiv. Für diese Akten wäre die Bürofläche viel zu wertvoll-und zwar nicht nur aus monetären Gesichtspunkten. Büroräume als Lager zu nutzen, wäre schlecht geplant. Meine Kritik aber: das hätte man schon früher feststellen können.

Wer hat welche Flächen bestellt?
Ich möchte zu bedenken geben, dass für die Bestellung ihres jeweiligen Flächenbedarfs, die Ämter und Dezernate, zusammen mit dem Hauptamt, selbst verantwortlich sind. Das AGM ist lediglich Dienstleister für diese Ämter - wenngleich hier natürlich eine gewisse Beratung und Unterstützung durch die Experten aus dem AGM wünschenswert wären.

Zum Änderungsantrag 01611-DS-04-ÄA-01 von 3 Fraktionsmitglieder der Linken möchte ich ein altes Sprichwort zitieren: Schuster bleib bei Deinen Leisten.

Zum Pkt 1 des Antrags: sicherlich kann man die Fläche sowohl auf der Grundlage der DIN 277, als auch nach gif-Richtlinien ermitteln, aber es würde Null Sinn machen und ich bin auch nicht sicher, ob Sie mit den Ergebnissen dann viel anfangen könnten, ob Sie die Flächendifferenz einordnen oder bewerten könnten? Eine Befürwortung des Antrags hätte lediglich eine weitere Zeitverzögerung zur Folge.

Mit jedem Tag, den wir aber zögern, diese Vorlage abzustimmen und damit den unterzeichneten Mietvertrag zu legitimieren, steigt das Risiko, dass der Stadt dann Schaden entsteht. Bauarbeiten können nicht weitergeführt werden, Auszüge und Umzüge anderer Ämter nicht erfolgen, Aufgaben in den Ämtern ggf. nur mit längeren Wartezeiten oder gar nicht erledigt werden.

Im Übrigen – liebe Antragsteller - gibt es noch weitere Berechnungsverfahren, die könnten wir auch noch in Auftrag geben – wenn, ja wenn wir sonst keine anderen Probleme hätten und Geld im Überfluss. Mein Vorschlag wäre, dass Sie zumindest den ersten Punkt dieses Antrages zurückziehen.

Aber ich kann Ihnen sagen, dass die Berechnung nach gif erfolgte. Und gif ist seit einigen Jahren das anerkannte Verfahren! Ich wüsste jedoch gerne Ihre Antwort, was es wem nutzen würde, die Berechnung nun auch noch nach DIN 277 erstellen zu lassen.

Was ist gut?
Gut sind der Standort, das Gebäude und der Mietvertrag. Der Zuschnitt des Gebäudes bietet gute Möglichkeiten die
unterschiedlichsten Bedarfe und Angebote für die Bürger zu realisieren.
Gut ist, dass der gesamte Platzbedarf in einem Gebäude untergebracht werden kann und nicht verteilt an mehreren Orten oder in mehreren Gebäuden
Auch die Archivräume können nun im Haus selbst untergebracht werden und nicht außerhalb - was unnötige Zeitverluste für Mitarbeiter und Bürger erspart.
Die Barrierefreiheit ist gewährleistet, Der Standort des Mietobjektes selbst ist ideal. Die Straßenbahnhaltestelle direkt vor der Tür, ein Parkhaus direkt gegenüber und auch von der Innenstadt für die Bürger fußläufig gut
erreichbar.

Alleine die kurze Entfernung zum Neuen Rathaus ist unbezahlbar - für die Besucher und auch die städtischen Mitarbeiter. Alles in allem Perfekt!
Und gut sind die Mietkonditionen.
Ich übe häufig Kritik an Mietverträgen, die die Stadt abschließt, dieser aber ist, das muss man konstatieren, aus meiner Sicht ausnahmsweise ein wirtschaftlich guter Mietvertrag.
Die Konditionen sind mehr als akzeptabel, wenn man die Marktentwicklung und die Entwicklung im Mietbereich ehrlich betrachtet. Sie finden derzeit in diesem Einzugsbereich kein Gebäude, mit einer niedrigeren Miete, die Betriebskosten sind im üblichen Rahmen und werden ja ohnehin nach Verbrauch abgerechnet.

Wesentlich und zu berücksichtigen sind auch einige Zusatzleistungen des Vermieters:

  • Erstmalige Erprobung eines Kontrollsystems und die Schließanlage, um die Sicherheit für die Mitarbeiter zu erhöhen.
  • Umzugskostenzuschuß
  • Möbilierungskostenzuschuß
  • Mietfreie Zeit
  • Berücksichtigung von Sonderwünschen usw.

Fazit:

Das Vorhaben wurde extrem schlecht kommuniziert!!!
Medienberichterstattung mit Luxusunterbringung und Wohlfühl-Oasen sind Unsinn.
Die Ausstattung, Aufteilung der Mietfläche und die Art der Nutzung geben die Zwecke/Aufgaben des jeweiligen Referates vor.
Bürgerinteressen, Intimsphäre der Bürger bei Beratungen, Schnelligkeit der Bearbeitung und Bequemlichkeit für die Bürger sind eingeflossen.
- Der Mietpreis ist völlig o.k. und liegt unter allen anderen Angeboten,
- Flächengröße, Flächenverbrauch, alles passt.
Wenn wir also heute wirklich in der Sache entscheiden wollen und nicht den Pressemitteilungen auf den Leim gehen und auch nicht die Verfahrensweise oder Mitarbeiter der Verwaltung, abstrafen wollen, und insbesondere die Fertigstellung und den kompletten Bezug nicht weiter verzögern wollen, können wir dieser Vorlage nur mit großer Mehrheit zustimmen.

Vielen Dank.

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