Rede von Stadtrat Michael Schmidt in der Ratsversammlung am 18. Oktober 2017 zur Drucksache „"Leipzig-Kitas" - Baubeschluss zur Eigenrealisierung von Kindertagesstätten und Bestätigung außerplanmäßiger Auszahlungen für 2017 und 2018“

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

werte Gäste,

die Vorlage ist ein Paradebeispiel für eine intransparente Verwaltung. Sie zeigt exemplarisch den Mangel an Informationen, auf deren Grundlage uns ehrenamtlichen Stadträten weitreichende Entscheidungen über die Liegenschaften unserer Stadt abgerungen werden.

Ein Paradebeispiel auch dafür, wie die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Politik aber auch wie die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Bürgerschaft eben NICHT funktioniert.

Herr Oberbürgermeister, wir haben in den vergangenen Wochen oft genug aus Ihrem Arbeitsprogramm 2020 zitiert, ich möchte das an dieser Stelle nicht noch einmal tun. Sie wissen wovon ich rede und die Fülle an Beispielen zeigt Ihnen mittlerweile sicherlich, dass wir dringend ins Gespräch kommen müssen, wie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit verbessert werden kann und wie auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Stadtverwaltung gesteigert werden kann.

Fünf Zeilen pro Kitastandort sind eben nicht ausreichend, um Politik und Bürgerschaft zu überzeugen dass Liegenschaften geeignet sind, um sie zur Bebauung freizugeben und der öffentlichen Nutzung als Grünfläche zu entziehen.

Klar, die Not ist enorm groß, wenn wir uns die nicht gedeckten Bedarfe im Bereich der Betreuung von unter Dreijährigen betrachten. Wir brauchen hier nicht nur ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren beim Bau von Kitas, bessere und schnellere Abstimmungen zwischen den beteiligten Ämtern. Wir brauchen ohne Zweifel auch ein solches Sofortprogramm zum Bau von mehr als zehn Kitas. Aber wir dürfen jetzt auch nicht so tun, als sei der Bau von Kitas plötzlich das einzige Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger. Neben Kitas brauchen wir auch Platz zum Wohnen, wir brauchen Freiflächen und öffentliches Grün für Freizeit und Erholung, für gemeinsames soziales Treiben. Und wenn kommunale Grundstücke einen bestimmten Zweck zugeführt werden, dann müssen wir genau diese Abwägung durchführen und dabei auch betrachten, ob nicht auch mehrere Zwecke gleichermaßen erfüllt werden können also beispielsweise Wohnen und Kita zusammengeführt werden kann. Durch die LWB beispielsweise, die ja nun auch Erfahrungen im Bau von Kitas gesammelt hat. Kein Wort dazu in der Vorlage. Es muss eine Abwägung geben, welcher Wert einer gewachsenen Grünfläche einer Bebauung entgegensteht. Nur wenn dieser Wert bekannt ist, kann tatsächlich eine Abwägung stattfinden. Und dann muss natürlich auch der Nachweis erbracht sein, dass die Änderung des Nutzungszwecks einer kommunalen Liegenschaft überhaupt sinnvoll erreichbar ist. Ziemlich viele Anforderungen – in 5 Zeilen pro Standort keinesfalls darstellbar.

Und wenn dann noch Bürgerinnen und Bürger kommen und Fragen haben, dann wird’s ganz schwierig – wie in Dösen. Mittlerweile haben sich dort allein 250 Menschen gemeldet, die arge Bedenken haben, dass die Verwaltung der Meinung ist, dass der ausgesuchte Standort ideal für die Bebauung mit einer Kita ist. Sie sind nicht nur der Auffassung, dass in der Abwägung der Wert genau dieser Fläche als zu erhaltende und mit zahlreichen alten Bäumen bewachsene zentrale Grünfläche als höher zu bewerten ist – sie sind auch der Meinung, dass die Fläche als Kita-Standort ungeeignet ist, insbesondere aufgrund der verkehrlichen Anbindung.

Wie geht man mit solchen gegensätzlichen Auffassungen um? Aussitzen und warten, dass der Stadtrat entschieden hat? Diese nur mit den Stadträten im Ausschuss besprechen?

Ich sage Ihnen, das wird nichts helfen, wir brauchen Gespräche vor Ort – mit den Betroffenen! Es gibt durchaus Menschen in dieser Initiativgruppe, die versuchen werden die Bebauung mittels einer Klage verzögern oder verhindern zu wollen. Dann haben wir gar nichts gekonnt! Klagen ist immer der letzte Weg. Ob sich das verhindern lässt weiß ich nicht, aber man sollte alles daran setzen, dies zu verhindern, statt den Klagewillen durch Mauern zu schüren.

Man muss miteinander ins Gespräch kommen. Das ist gegenwärtig nicht passiert, obwohl Sie, Herr Oberbürgermeister und Sie, Herr Prof. Fabian, seit über zwei Wochen mit Briefen von Anwohnern zugeschüttet werden. Glauben Sie bitte nicht, dass es sich bei den Anwohnenden um Menschen handelt, die keinen Kinderlärm ertragen und deshalb einen Spielplatz oder in dem Falle eine Kita in direkter Nähe zum Alterswohnsitz verhindern wollen. Es sind Menschen, über deren Köpfe hinweg die Bebauung ihrer einzigen öffentlichen Grünfläche entschieden wird, ohne dass ihnen jemand ihre Fragen beantwortet und um Ihr Verständnis ersucht.

Es kann ja durchaus sein, dass man in der Abwägung zum Schluss kommen wird, dass um eine Bebauung der Fläche kein Weg vorbei führen wird, aber dies sollte man gründlich geprüft haben und die Menschen vor Ort mitnehmen. Erklären Sie es ihnen, werben Sie um Verständnis bei der Kita-Not, in der wir uns befinden! Sagen Sie, welche anderen Flächen in der Nähe tatsächlich geprüft und eben verworfen wurden. Erklären Sie den Menschen, warum der Standort durchaus für eine Kita geeignet ist und wie die verkehrliche Anbindung gewährleistet werden soll.

Nichts zu all den offenen Fragen findet sich in der Vorlage, der Stadtbezirksbeirat Süd wurde nur mit einer Tischvorlage befasst, zwei Ausschüsse in nur einer Lesung, der Umweltausschuss sogar erst nachdem eine Befassung explizit eingefordert wurde. So geht es nicht, Herr OBM.

Ich komme zum Ende: Meine Fraktion begrüßt selbstverständlich ein Sofortprogramm zum Kita-Bau, kritisiert aber ausdrücklich die Art und Weise, wie dieses hier zum Beschluss vorgelegt wird. Wir halten aber unseren ÄA aufrecht, eine der 13 Kitas, nämlich den Standort Eigenheimstraße in Dölitz einer genaueren Prüfung von Alternativstandorten zu unterziehen und vor einer Entscheidung mit den Menschen vor Ort abzustimmen. Erst dann sieht sich meine Fraktion im Stande dazu eine Entscheidung zu treffen. Sollte unser Änderungsantrag keine Mehrheit finden, bitte ich um getrennte Abstimmung der jeweiligen Liegenschaften im Anhang der Vorlage.

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