Rede von Stadtrat Norman Volger am 8. Juli zur Petition "Gegen die Haltung von Schafen auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt"

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Stadträte! Sehr geehrte Gäste!

Ist es im Jahr 2020 noch sachgemäß, Tiere in dieser Form auf dem Weihnachtsmarkt auszustellen? Das ist eine ethische und moralische Frage, die wir heute beantworten müssen.

Vorab: Schafe auf dem Weihnachtsmarkt werden mit lauter Musik beschallt, mit bunten, grellen Lichtern traktiert, und was so alles an Nahrungs-mitteln oder Ähnlichem im Gehege landet, ist alles, nur nicht tiergerecht. Da hilft auch kein Schild: „Bitte nicht füttern“. Ob sie damit zurechtkommen und das aushalten, ist dabei nicht die Frage. Die Frage, die wir uns heute stellen sollen, ist, ob sie das aushalten sollten.

Der VSP spricht von vorbereitenden Fütterungen mit Brötchen, um die Tiere - und jetzt meine Ausführung - auf Backfisch, Kräppelchen und Glühwein vorzubereiten, die regelmäßig im Gehege landen. Von Rückführung in einen Stall bei besonders lauter Musik ist die Rede, von der aber bisher niemand etwas mitbekommen hat und auch einmal beantwortet werden müsste, welche Mitarbeiter das machen.

Man verlässt sich im Verwaltungsstandpunkt - ohne andere Expertise einzuholen - auf die ‚kompetente Meinung‘ des daraus Profit schlagenden Vermieters der Schafe bei der Beurteilung, ob diese Zurschaustellung der Schafe artgerecht sei. Finde den Fehler.
Auch die Behauptung des Bildungsauftrags und die Tränendrüse mit den vielen Stadtkindern, die noch nie ein Schaf gesehen haben, ist einfach nur grotesk. Als ob es mit Zoo, Wildpark, Haustierfarm, Erlebnisbauernhöfen oder Ähnlichem nicht genügend gäbe. Der VSP schreibt allen Ernstes, Kindern würde - und ich zitiere jetzt - „auf emotionale, fast therapeutische Weise auch Wissen und Zusammenhänge [mit Schafen] vermittelt“; mit den Schafen auf dem Weihnachtsmarkt.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Meinen Sie das wirklich ernst, oder ist der Ver-waltungsstandpunkt eine Glosse? Mir kommt es manchmal so vor.

Aber zurück zu der Frage, ob es noch zeitgemäß ist, Schafe auszustellen. Selbst der von uns so geachtete Zoo Leipzig - ein Aushängeschild der Stadt direkt hier vor der Tür - ist nur deshalb so erfolgreich, weil er mit den enormen Investitionen die Haltungsbedingungen von Tieren natürlicher und artgerechter gestaltet und damit zeitgemäß handelt.

Dies zeigt sich auch daran, dass der berühmte, leider verstorbene Zoomitarbeiter, das Lama Horst, genaue Zeitbegrenzungen hatte, in dem er dem Publikum bei Veranstaltungen ausgesetzt werden durfte. Die Schafe stehen Tag für Tag von früh bis abends den ganzen Weihnachtsmarkt über im Trubel. Würde der Zoodirektor Junhold seine Schafe dafür hergeben? Wohl kaum. Oder unsere Stadtschäferin? Wir als Stadt Leipzig haben ja eigene Schafe. Warum wurden sie nicht vom Marktamt angefragt? Würde sie ihre Schafe für den Weihnachtsmarkt hergeben? Es wäre vielleicht auch kostengünstiger. Vermutlich nicht, oder wohl kaum.
Warum braucht es also die Schafe auf dem Weihnachtsmarkt? Mir fällt kein Grund ein. Artgerecht ist es auch nicht. Lassen wir die Tiere auf der Weide. Ich glaube, das wäre die beste Entscheidung, die wir fällen können.

Warum haben wir jetzt aber entgegen des Änderungsantrags der Linken eine Abschaffung erst bei der Neuausschreibung 2022 beantragt? Kurz: Es gibt Verträge. Auch, wenn wir beschließen würden, ab sofort keine Tiere mehr zuzulassen, bliebe das Vertragsverhältnis bestehen. Darüber hinaus wollen wir - entgegen des Änderungsan-trages der Linken - nicht nur Schafe schützen, sondern alle lebenden Tiere, nicht, dass die Verwaltung noch auf die Idee kommt, dann einfach Ziegen oder Esel auszustellen. Im Verwaltungsstandpunkt gibt es ja schon so einen kleinen Wink in die Richtung, dass ja bei Prozessionen und dem christlichen Gedenken auch schon Esel ‚benutzt‘ werden.

Kurzum: Ich bitte um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Ich glaube, in der heutigen Zeit ist es nicht mehr vermittelbar, warum wir Schafe auf dem Weihnachtsmarkt ausstellen sollten, wenn wir direkt hier vor der Tür mit dem Zoo viel bessere Möglichkeiten haben, unseren Kindern - wie im Verwaltungsstandpunkt auch dargestellt - eine artgerechte und tiergerechte Haltung und einen Zugang zu Tieren zu vermitteln. - Vielen Dank.

Zurück