Rede von Dr. Gesine Märtens am 12. März 2025 zum Antrag "Weiterführung von Erfolgen in der Aufarbeitung der Geschichte der Museumsbestände durch Verankerung einer Kurator*innenstelle für Provenienzforschung und kritische Sammlungsgeschichte"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Damen und Herren,

„Provenienzforschung“, das klingt sehr akademisch und weltfremd. Was ist Provenienz? Habe ich das auch? Vielleicht könnt man es so sagen, Provenienz ist der Lebenslauf der Dinge, Objektbiographie ist ein anderes Wort.

Provenienzforschung ist dabei natürlich mehr als nur die akademische Suche nach Herkunftsnachweisen. Sie ist ein Akt der Gerechtigkeit und der historischen Verantwortung.

In meinem Besitz befindet sich zum Beispiel Hellerauer  Designermöbel, Baujahr 1936. Ich erbte sie einst von der Cousine meiner Großmutter. Ob ich sie zurecht besitze, kann ich nicht sagen. Auch die Provenienz des Meißner Porzellan auf meinem Dachboden ist ungeklärt. Die millionenfache privat Aneignung jüdischen Eigentums in der NS - Zeit lässt sich nicht systematisch aufklären. Anders ist es aber, wenn die öffentliche Hand herausragende Kunst sammeln und ausstellen.

Warum ist die Einrichtung einer festen Stelle für Provenienzforschung am Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig ab 2026 also so wichtig?

Erstens: weil wir haben eine moralische Verpflichtung. Die "Washingtoner Prinzipien" von 1998 und die "Gemeinsame Erklärung" von 1999 zur Rückgabe von geraubtem  Kulturgut sind keine unverbindlichen Empfehlungen, sondern Selbstverpflichtungen, denen wir als Stadt nachkommen müssen.

Zweitens: Provenienzforschung ist keine Belastung für den Haushalt, sondern eine Investition in die Rechtssicherheit unserer Museen. Ein Kunstwerk mit lückenloser Herkunftsgeschichte gewinnt an Wert und Bedeutung. Zudem schützt uns diese Arbeit vor späteren, möglicherweise kostspieligen Restitutionsansprüchen.

Drittens: Leipzig kann mit dieser Stelle Vorbild werden. Neben der bekannten NS-Raubkunst müssen wir uns auch den Enteignungen in der SBZ und DDR sowie dem kolonialen Erbe stellen. Diese Aufarbeitung ist Teil unserer "Museumskonzeption 2030" und ein wesentlicher Beitrag zur Erinnerungskultur unserer Stadt.

Die Provenienzforschung gibt den Objekten in unseren Museen ihre Geschichte zurück – und manchmal auch ihren rechtmäßigen Eigentümern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Wir Grüne stehen für eine Kulturpolitik, die sich kritisch mit der eigenen Geschichte auseinandersetzt. Und ich bin dankbar dafür, dass hier im Rat viele gibt, die diesen Weg mit uns gehen, weil Gerechtigkeit ein Wert ist. An und für sich.

Vielen Dank.

 

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