Rede von Tobias Peter am 13.04.2022 zum Antrag "Renaturierung des Elsterbecken"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Oberbürgermeister, werte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen und Gäste,

die Lebensqualität unserer Stadt, der städtebauliche Reiz verdankt sich nicht zuletzt ihrem Charakter als Wasserstadt. In den letzten Jahrzehnten haben wir mit der Erschließung von Kanälen und der Öffnung von Mühlgräben viel dafür getan. Währenddessen ist das - aufgrund seiner Lage und Ausdehnung – vielleicht bekannteste Gewässer unserer Stadt - das Elsterbecken zwischen Palmgartenwehr und unterem Elsterwehr ein schlafender Riese. Denn die Elster löst hier ihr Potential weder als funktionierendes Gewässer noch als Raum für Artenvielfalt ein. Und weil das Ufer an den meisten Stellen nicht erreichbar ist, wird das Gewässers auch städtebaulich kaum wirksam.

In seiner jetzigen Form ist das Elsterbecken in mehrfacher Hinsicht aus der Zeit gefallen. An seiner Stelle erstreckten sich bis vor hundert Jahren die Frankfurter Wiesen, die einer natürlichen Auendynamik mit wiederkehrenden Hochwassern unterlagen. Zwei zentrale Gründe führten zur Entstehung des Elsterbeckens:

  • Die wiederkehrenden Hochwasser führten zum Konflikt mit der zunehmenden Bebauung der auch damals stark wachsenden Stadt. Um das Problem zu lösen, wurde die Elster aufgestaut und eingedeicht, entstanden parallel weitere Deiche entlang des Verlaufs im Stadtgebiet.
  • Städtebau: die Wasserfläche des Elsterbeckens sollte größere Wasserflächen ortsnah erlebbar machen. Der Hintergrund waren größere städtebauliche Planungen für ein neues Stadtzentrum für Repräsentationsbauten und Messe. Diese wurden bekanntermaßen nie realisiert.

Diese beiden zentralen Gründe für das Elsterbecken, Hochwasserschutz und Städtebau, sind heute hinfällig.

  • Aufgrund eines mittlerweile gestaffelten, weit vor dem Elsterbecken ansetzenden Hochwasserschutzsystem, wird das Elsterbecken für den Hochwasserschutz nicht benötigt. Im Gegenteil: unser Problem ist aufgrund des Klimawandels eher ein geringer werdendes Wasserdargebot. Eine breite Wasserfläche, auf der Wasser im Sommer verdunstet, ist hier schlicht kontraproduktiv. Mittlerweile müssen immer wieder erhebliche finanzielle Mittel aufgewendet werden, damit der Lauf nicht versandet.
  • Und auch städtebaulich haben sich die Vorzeichen geändert. Das Elsterbecken ist jenseits der der Zeppelinbrücke nicht erlebbar, obwohl dieser Stadtraum in der wachsenden Stadt doch so wichtig wäre. Immer wieder und immer mehr werden wir angesichts einer hohen Bautätigkeit mit dem Verlust von Grün und Freiräumen in unserer Stadt konfrontiert. Jedes Jahr schwinden Flächen für Erholung, Austausch und Sport, schwinden Flächen für Klimawandelanpassung und Artenvielfalt.

Unsere Fraktion möchte diesen unbefriedigenden Zustand ändern. Wir möchten das Elsterbecken der Natur und den Leipzigerinnen und Leipzigerinnen zurückgeben. Wir wollen, dass hier ein mäandrierender Flusslauf mit einer erlebbaren Flusslandschaft entsteht. Angelegt als Elsterpark, mit Liegewiesen und Badestellen, ggf. auch kleineren Sport- und Freizeitanlagen können wir zudem dem erhöhten Bedarf an Erholungsflächen in Stadtnähe Rechnung tragen. Wir wissen dabei viele Leipzigerinnen und Leipziger hinter uns. Die Bilder eines renaturierten Elsterbeckens, die der Ökolöwe und unsere Fraktion veröffentlichten, haben die Stadtgesellschaft begeistert. Und Beispiele wie die renaturierte Isar in München zeigen, dass eine solche Vision wirklich werden kann.

Die Idee eines renaturierten Elsterbeckens kann auf fundierte Überlegungen zurückgreifen. Bereits vor mehr als einem Jahrzehnt hatten Biologen wie der Leipziger Umweltschützer und langjährige Vorsitzende des NABU Leipzig Dr. Leonhard Kasek die Idee entworfen, mit einem mäandrierenden Flußlauf den Biotopverbund zwischen nördlichen und südlichen Auwald zu stärken. Auch entsprechende Modellierungen wurden bereits vor Jahren erarbeitet, die zeigen, wie der konkrete Verlauf aussehen könnte. Schließlich beantragte die Grüne Ratsfraktion im Februar 2019 eine entsprechende Prüfung, ohne dass der Antrag im Rat eine Mehrheit fand.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir heute den Prozess der zur Renaturierung des Elsterbeckens starten und eine Machbarkeitsstudie beauftragen. Wir erkennen an, dass die Verwaltung grundsätzlich in die gleiche Richtung denkt, würden aufgrund des präziseren Auftrags dennoch den Antrag in unserer Ursprungsfassung zur Abstimmung stellen. Wir wollen, dass die wasserrechtlichen, technischen und städtebaulichen Aspekte einer Renaturierung des Elsterbeckens untersucht werden. Folgende Punkte sind vor allem relevant:

  • Im Rahmen des Integrierten Gewässerkonzepts, das ohnehin überarbeitet wird und dem Auenentwicklungskonzept müssen die Wechselwirkungen mit einer Renaturierung des Auwalds sowie die Effekte für die Gewässerqualität zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (Verbesserungsgebot) betrachten werden
  • In städtebaulicher Hinsicht sind bei der Prüfung einer öffentlich zugänglichen Park-, Sport- und Freizeitanlage insbesondere die Planungen zum Rahmenplan Stadionumfeld sowie Aspekte des Denkmalschutzes, insbesondere im Abschnitt zwischen Elsterwehr und Zeppelinbrücke zu berücksichtigen
  • Wir wollen, dass kommunale, gesellschaftliche und unternehmerisch handelnde Interessengruppen und ihre Ansprüche an urbane Sport- und Freizeitanlagen im Einzugsgebiet befragt werden
  • Und wird es bei der Umsetzung um nicht geringe Kosten gehen, weshalb wir eine erweiterte Wirtschaftlichkeitsanalyse vornehmen lassen
  • Und schließlich sind Zuständigkeiten, Befugnisse und notwendige Schnittstellen der Zusammenarbeit der Entscheider*innen und anderen am Projekt Beteiligten auf kommunaler Ebene und Landesebene zu klären

All diese genannten Punkte sollen in einer Machbarkeitsstudie einfließen, als Grundlage für weitere Entscheidungen

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns heute die Vision eines neu erlebbaren, naturnahen Stadtraums – eines Elsterparks inmitten unserer Stadt auf den Weg bringen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

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