Rede von Tobias Peter am 13.04.2022 zum Antrag "Teilhabe auf dem Wohnungsmarkt für alle"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Oberbürgermeister, werte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen und Gäste,

in der letzten Ratsversammlung haben wir die Abschaffung des Listenverfahrens beschlossen. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu weniger Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, so wichtig, dass manche in den beratenden Ausschüssen schon meinten, dass unser hier vorliegender Antrag entbehrlich sei.

Dem ist natürlich mitnichten so. Denn auch wenn die LWB ein wichtiger Akteur auf dem Leipziger Wohnungsmarkt ist, so ist sie nicht der einzige. Und auch wenn Migrant/innen, insbesondere Geflüchtete eine wichtige benachteiligte Gruppe auf dem Wohnungsmarkt sind, so gibt es auch weitere Menschen in unserer Stadt, die Benachteiligung erfahren, die wie wir es in unserer Neufassung nennen – besondere Marktzugangsschwierigkeiten haben.

Denn aufgrund der in den letzten Jahren gestiegenen Nachfrage nach Wohnraum haben vor allem Menschen mit geringem Einkommen und unter ihnen insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichte, mit nichtweißer Hautfarbe und Geflüchtete, aber auch Menschen mit körperlichen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigen zunehmend Probleme, bezahlbaren und passenden Wohnraum zu finden.

Neben finanziellen Hürden sehen sich diese Menschen oft auch mit offener oder verdeckter Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt konfrontiert. Sie werden bereits bei der Wohnungssuche auf offene oder verdeckte Weise diskriminiert. Studien zeigen in 60% der Fälle eine Diskriminierung, die z.T. seitens der Vermietenden nicht einmal absichtlich passiert. In der Nachbarschaft auftretende Konflikte werden von Vermietern genutzt, um die Wohnung zu kündigen.

Oft suchen Betroffene zu spät Hilfe, Sprachbarrieren verschärfen z.T. das Problem. Jeder einzelne Fall von Diskriminierung verletzt das Recht auf Würde und das Recht auf Wohnung gleichermaßen. Wir müssen deshalb alles für eine umfassende und diskriminierungsfreie Teilhabe am Wohnungsmarkt sorgen - überall in Leipzig, unabhängig von Herkunft, Aufenthaltsstatus, Einkommen oder sonstigen Merkmalen.

In den letzten Jahren entstanden dazu bereits einige, oft von unserer Fraktion initiierte oder unterstützte Aktivitäten entstanden. Darüber hinaus sind jedoch weitere umfassende Anstrengungen notwendig. Diese haben wir in unserem Antrag zusammengefasst und wir freuen uns, dass die Verwaltung diesen im Verwaltungsstandpunkt weitgehend zugestimmt hat. Ich danke Herrn Prof. Fabian und der Verwaltung herzlich für diesen echten Quantensprung beim Thema. Ich will die wesentlichen Punkte und einige Schärfungen, die wir in unserer Neufassung auf der Grundlage des VSP machen, hier noch einmal herausstellen.

  • Wir wollen Diskriminierung sichtbar machen, einerseits durch aktuelle verfügbare Daten, zum anderen durch regelmäßig – wir schlagen in der Neufassung vor alle zwei Jahre - durchgeführte Testing-Verfahren und eine Veröffentlichung im Monitoring-Bericht Wohnen.
  • Wir wollen ein Siegel für diskriminierungsfreie Vermietung, an dem neben der LWB möglichst viele Unternehmen des Wohnungsmarkts mitmachen – es muss Vermieter/innen peinlich sein, dieses Siegel nicht zu tragen. In diesem Zusammenhang schlagen wir in der Neufassung auch vor, umfassend und barrierearm über Beschwerdemöglichkeiten zu informieren.
  • Wir wollen das Angebot an Schulungen, aber auch Coachings und Supervisionen – gerade auch für das neu angelaufene Verfahren zur Wohnungsvergabe der LWB – nicht nur stärken, sondern auch verpflichtend machen. Denn wie ich eingangs erwähnte, erfolgt Diskriminierung oft unbewusst und absichtlos ab. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass diejenigen, die mit der Vergabe von Wohnraum befasst sind, die Möglichkeit zur Reflektion und Weiterentwicklung bekommen. Einem wichtigen Hinweis aus dem Rat folgend schlagen wir für BP3 folgende Formulierung vor, um auch Anbieter jenseits des ADB einzubeziehen: „das Antidiskriminierungsbüro Sachsen e. V. wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit geeigneten Trägern das vorhandene Angebot an Schulungen…“ auszubauen.
  • Wir wollen die Arbeit in den Quartieren stärken. Die Erfahrungen der Koordinierungs- und Migrationsberatungsstellen Paunsdorf und Grünau sind wichtig, aber wir brauchen diese Kompetenzen in der gesamten Stadt. In diesem Sinne wollen wir insbesondere die Quartiersmanagements stärken und auch zivilgesellschaftliche Initiativen vor Ort unterstützen, die Teilhabe z.B. mit Übersetzungsleistungen, aufsuchenden Beratungsangeboten, Patenschaften oder Haus- und Hoffeste ermöglichen.
  • Schließlich ziehen wir den Beschlusspunkt 6 „Kontingentwohnungen für Härtefälle diskriminierter Gruppen insbesondere in stark nachgefragten Stadtteilen bereitzustellen“ noch einmal zurück, mit der Bitte an die Verwaltung, hier einen Vorschlag im Rahmen des bestehenden Instruments der Gewährleistungswohnungen für den zeitweiligen Ausschuss zu entwickeln.
  • Beschlusspunkt 4 – Listenverfahren – hat sich mit dem Beschluss der letzten Ratsversammlung erledigt, auch diesen ziehen wir zurück.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen Sie uns heute dieses ambitionierte Paket für eine diskriminierungsfreie Teilhabe für alle auf dem Leipziger Wohnungsmarkt auf den Weg bringen.

Seine Umsetzung wird uns weiter begleiten, insbesondere, wie von uns gefordert, als Themenschwerpunkt bei der Fortschreibung des Wohnungspolitischen Konzeptes. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag im Sinne der Neufassung.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Zurück