Rede von Tobias Peter am 29. Oktober 2025 zum Antrag "Abpflastern! Wettbewerb zur Entsiegelung und Begrünung von Flächen starten"
Foto: Martin Jehnichen- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
laut dem Hitze-Check der Deutschen Umwelthilfe ist Leipzig die „heißeste Stadt Sachsens“. Und nein – das bezieht sich ausnahmsweise nicht auf die Attraktivität unserer Bewohnerinnen und Bewohner, auch wenn das zweifellos stimmen dürfte. Gemeint ist etwas anderes, etwas Ernsteres: Jeder zweite Mensch in Leipzig lebt in einem Bereich mit extremer Hitzebelastung – dort also, wo hohe Temperaturen, dichte Versiegelung und zu wenig Grün zusammentreffen.
Im Sommer 2025 hatten wir in Leipzig 15 Hitzetage mit über 30 Grad – und das war noch ein vergleichsweise kühler Sommer! Erinnern wir uns an den 30. Juni 2019: Damals wurden bis zu 38,4 Grad gemessen, ein historischer Höchstwert für unsere Stadt. Diese Temperaturen sind längst keine Ausnahme mehr, sie werden zur Realität in unseren Sommern.
Und wenn man dann die Temperaturunterschiede zwischen Innenstadt und Außenbereichen betrachtet, wird schnell klar, woran es liegt: Fast die Hälfte unseres Stadtgebiets ist versiegelt, in der Innenstadt und den innenstadtnahen Gebieten sogar bis zu 90 Prozent. Wo aber Beton und Asphalt dominieren, da kann kaum noch Wasser versickern, da gibt es kaum natürliche Kühlung.
Genau deshalb hat sich der Stadtrat das Ziel der Netto-Null-Versiegelung gesetzt – also: Schritt für Schritt soll nicht mehr Fläche versiegelt werden, als an anderer Stelle entsiegelt wird. Das ist ambitioniert, keine Frage. Denn in einer wachsenden Stadt wie Leipzig lässt sich neue Versiegelung durch Neubau nicht völlig vermeiden. Aber umso wichtiger ist es, dass wir dort, wo es möglich ist, entsiegeln!
Jede entsiegelte Fläche hilft. Sie verbessert das Mikroklima, senkt die Temperaturen im Quartier, schafft Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Entsiegelung und Begrünung sind keine kosmetischen Maßnahmen – sie sind notwendige Schritte, um unsere Stadt widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels zu machen.
Wir wollen das aber nicht von oben herab verordnen. Wir wollen die Menschen in unserer Stadt mitnehmen. Deshalb haben wir bereits ein Förderprogramm auf den Weg gebracht, um private Initiativen zu unterstützen. Aber, Hand aufs Herz: Wir merken doch alle, es braucht mehr Dynamik, um wirklich voranzukommen.
Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Andere Städte machen es vor.
In den Niederlanden läuft seit 2020 der Wettbewerb „Tegelwippen“. Städte wie Amsterdam und Rotterdam treten gegeneinander an – und dort wurden inzwischen über 14 Millionen Pflastersteine entfernt! Zehntausende Menschen machen mit, ganze Nachbarschaften beteiligen sich. Das verändert nicht nur das Stadtbild, das verändert auch das Bewusstsein: Entsiegelung wird sichtbar, greifbar – und macht sogar Spaß!
Und diese Idee schwappt längst auch zu uns herüber: In Deutschland gibt es den Wettbewerb „Abpflastern“ der Hochschule Koblenz. Die Stadt Hamburg ist bereits dabei – und hat über 1.100 Quadratmeter entsiegelt. Das zeigt: Wenn Bürgerinnen und Bürger um die Wette entsiegeln, dann entsteht Bewegung. Dann wird das Thema lebendig – und jeder Quadratmeter zählt!
Deshalb schlagen wir vor, auch in Leipzig einen solchen Wettbewerb „Abpflastern“ ins Leben zu rufen. Er kann motivieren, das Stadtbild sichtbar zu verbessern, und er kann viele Leipzigerinnen und Leipziger einbeziehen, die sonst vielleicht denken: „Was kann ich schon tun?“
Die Verwaltung steht der Idee grundsätzlich positiv gegenüber – sie teilt das Ziel der Entsiegelung und Begrünung. Sie weist aber auch zu Recht auf die aktuellen Grenzen hin: Es fehlen finanzielle Mittel und personelle Kapazitäten, um den Wettbewerb sofort und in voller Breite umzusetzen. Deshalb schlägt sie vor, das Ganze in das geplante Klimaanpassungsprogramm einzubetten. Das ist eine realistische Einschätzung, und sie ist wichtig. Denn ein Wettbewerb, der zwar angekündigt, aber nie umgesetzt wird, wäre niemandem geholfen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns die Chancen sehen! Wir können von den Hamburger Erfahrungen lernen. Wir können digitale Lösungen übernehmen, die Verwaltung entlasten und trotzdem viele Menschen erreichen. Vielleicht starten wir mit einem kleineren Pilotprojekt, vielleicht konzentrieren wir uns zunächst auf ausgewählte Flächen – wichtig ist, dass wir anfangen!
Ich verstehe den Verwaltungsstandpunkt so, dass es nicht um das ob geht, sondern um das wie. Und dieses wie sollten wir gemeinsam ausgestalten – gern auch zusammen mit Umweltverbänden, Unternehmen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir brauchen mehr Entsiegelung, mehr Begrünung, mehr Engagement für unser Stadtklima. Der Wettbewerb „Abpflastern“ kann dafür ein motivierendes und sichtbares Instrument sein. Der Verwaltungsstandpunkt zeigt uns einen Weg auf, wie das gelingen kann.
Ich bitte Sie daher: Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen – und stimmen Sie zu!
Vielen Dank.