Rede von Tobias Peter in der Ratsversammlung am 24.11.2020 zum Masterplan zum B-Plan Nr. 416 "Freiladebahnhof Eutritzscher/Delitzscher Straße"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Projekt Leipzig 416 – Eutritzscher Freiladebahnhof ist das mit Abstand größte städtebauliche Entwicklungsprojekt in Leipzig und eines der größten in Deutschland. Unsere Fraktion hat dieses Projekt seit Anbeginn intensiv begleitet, namentlich durch Tim Elschner, der maßgebliche Stadtratsbeschlüsse gemeinsam mit anderen Fraktionen auf den Weg gebracht hat, aber auch durch Kollegen Martin Biederstedt und mich, die das Projekt in den durchaus beispielgebenden Beteiligungsprozess der letzten Jahre begleitet haben.

Leipzig 416 ist das erste große Projekt einer kooperativen Baulandentwicklung in Leipzig, ein Projekt, bei dem wir als Stadt bewusst auf das klassische Verfahren der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme mit tiefen Eingriffsrechten der Stadt verzichten.

Wir sind von der kooperativen Baulandentwicklung überzeugt, weil wir im gemeinsamen Agieren mit einem Vorhabenträger zügiger und möglicherweise sogar mit besseren Ergebnissen eine städtebauliche Entwicklung vorantreiben können. Für uns ist entscheidend, dass hier ein Vorzeigequartier für nachhaltige Mobilität und bezahlbares Wohnen mit hoher architektonischer und städtebaulicher Qualität entsteht.

In einem intensiven Beteiligungsprozess und mehreren Stadtratsbeschlüssen wurden die von Herrn Dienberg benannten Planungsziele verankert. Es war und ist schon immer auch ein Projekt der Bürgerschaft und des Stadtrats. Dies will ich hier ausdrücklich noch einmal in Erinnerung rufen, um deutlich zu machen, warum wir in den letzten Wochen so hart mit der heutigen Beschlussvorlage und der Vertragsänderung gerungen haben.

Gerade weil der Freiladebahnhof das beispielgebende Projekt der kooperativen Baulandentwicklung in Leipzig ist, müssen wir hier auf hohe qualitative Standards, eine intensive Beteiligung der Bürgerschaft und das Entscheidungsrecht des Stadtrats beharren.

Zwischenzeitlich haben sich durch eine Erhöhung der Bruttogeschossfläche bereits deutliche Veränderungen zugunsten des Investors ergeben – es gab also schon Zugeständnisse, mit denen für uns Grenzen erreicht wurden. Der Verkauf des Projekts Leipzig 416 an die Imfarr im letzten Jahr hat zurecht große Zweifel genährt, ob dieses Projekt gelingen kann. Denn der Freiladebahnhof droht – wie eben erwähnt - zu einem Spekulationsobjekt zu werden, bei dem jede weitere Veräußerung den Verwertungsdruck erhöht und damit einen immer größeren Widerspruch zu hohen qualitativen Standards und dem Ziel bezahlbaren Wohnens produziert. Das können wir nicht zulassen.

Der im September vorgelegte Entwurf des Änderungsvertrags zwischen Stadtverwaltung und Imfarr hat auf dieses Problem keine hinreichende Antwort geboten und war für uns deshalb auch nicht zustimmungsfähig.

In den letzten Wochen haben wir im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau und in Gesprächen mit Verwaltung und Investor hart gerungen. Denn wir sind nicht den Gewinnerwartungen von Investoren, sondern unseren Bürgerinnen und Bürgern, einer ökologischen und sozialen Entwicklung unserer Stadt verpflichtet.

Und es war gut, dass wir hier hart geblieben sind. Wir konnten dabei entscheidende Veränderungen am Vertrag erwirken, die sicherstellen, dass bei der weiteren Entwicklung Spekulation vermieden und hohe Standards gesichert werden. Konkret:

  • Der Vorhabenträger steht in umfassender Verantwortung für die kooperative Baulandentwicklung. Auch bei Weiterveräußerungen wird letztlich die Leipzig 416 GmbH bzw. Imfarr dafür sorgen, dass die Ziele des Projekts umgesetzt werden.
  • Die jetzigen Arbeitsstände werden umfassend weiterentwickelt und müssen vom Stadtrat bestätigt werden, bevor weitere Veräußerungen stattfinden können. Die von uns geforderte Kopplung an den Offenlagebeschluss ist aus unserer Sicht zwingend. Wir können damit als Stadtrat absichern, dass hohe qualitative Standards in der notwendigen Detailtiefe in der weiteren Bauleitplanung abgesichert werden. Mit den zwischenzeitlich diskutierten Daten wie 31. August oder 30. September wäre es möglich gewesen, die Andienungspflicht auslaufen zu lassen, ohne dass die Standards geklärt gewesen wären.
  • Der Investor wird verpflichtet, bei geplanten Veräußerungen die entsprechenden Grundstücke zuerst der Stadt anzubieten. Wir sprechen uns klar dafür aus, dass diese Andienungsverpflichtung nicht nur auf dem Papier besteht, sondern von der Stadt aktiv genutzt wird. Die Stadtverwaltung muss jetzt zügig alle Voraussetzungen schaffen, um selbst bzw. über kommunale Gesellschaften Baufelder erwerben zu können. Dazu haben wir einen entsprechenden Antrag im Verfahren, von dem wir zeitnah einen entsprechenden Verwaltungsstandpunkt erwarten.
  • Schließlich ist nun im Vertrag und auch noch mal durch die Änderungsanträge eine Zeitschiene erkennbar, die sicherstellt, dass dieses Projekt zügig umgesetzt werden kann – auch wenn es hier noch mehr Konkretion braucht. Jetzt wird es auf die Zusammenarbeit von Verwaltung und Imfarr ankommen, um die Arbeitsstände zügig zu überarbeiten.


Wir freuen uns, dass die Stadtverwaltung diesen unseren Anliegen in den Verhandlungen mit dem Vorhabenträger gerecht werden konnte und jetzt auch unsere Änderungsanträge übernehmen wird. Damit können wir in der Summe heute zustimmen.

Dennoch: Mit Blick darauf will ich für unsere Fraktion noch einmal betonen, dass mit dem heutigen Beschluss alles andere als ein Blankoscheck für den Investor ausgestellt wird. Im Gegenteil: die nächsten Monate werden für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Wir erwarten bei der Überarbeitung der Konzepte deutliche Fortschritte, insbesondere beim Mobilitätskonzept, dass mit Stand jetzt über 2.500 Stellplätzen für Wohnungen mit 3.200 Menschen der Mobilitätsstrategie deutlich zuwiderläuft. Mit der Weiterentwicklung des Gestaltungshandbuch müssen ebenso hohe Standards gesetzt werden wie bei der Durchmischung von Wohnen und Gewerbe.

Das „ökologische Vorzeigequartier“ darf keine „Worthülse“ sein, vielmehr muss das Gesamtkonzept in Bezug auf Regenwasserversickerung, Stadtklima, Begrünung im Quartier, Dachbegrünung, Energieeffizienz und Mobilität weiter vertieft und planungsrechtlich verbindlich eingeordnet werden. Zugleich erwarten wir eine Fortführung der Öffentlichkeitsbeteiligung und informellen Bürgerbeteiligung auf hohem Niveau.

Wir werden in weiteren Bauleitplanung weiteren Schritten dann unsere Zustimmung verweigern, wenn nicht klipp und klar hohe qualitative Standards gesichert werden. Ein Zurückfallen hinter genannten Zielsetzungen werden wir nicht akzeptieren.

Zusammengenommen bedeutet dies für uns auch, dass wir als Stadt in der Lage sein müssen, das Projekt für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung zu übernehmen, wenn der Investor sich möglicherweise nicht mehr in der Lage sieht, unsere Anforderungen zu erfüllen. Auf diese Situation muss sich die Stadt in den nächsten Monaten eben auch ernsthaft und intensiv vorbereiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor uns liegen beim Freiladebahnhof arbeitsintensive Monate, für die wir heute die Weichen stellen. In diesem Sinne können wir heute zustimmen und sind gespannt auf die nächsten Schritte. Vielen Dank!

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