Rede zur von Annette Körner zur wirtschaftspolitischen Stunde in der Ratsversammlung am 15. November 2017
- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Stadtrat,
über den Stolz auf unsere brummende Stadt, ihr Wachstum, die gestiegenen Einnahmen und die gesunkene Zahl an Arbeitslosen haben wir bereits viel gehört. Die Beurteilung durch Institute und Rankingbildner wie auch der Leipziger Wirtschaftsbericht 2017 und der konkrete Wirtschaftsförderbericht zeigen beeindruckend Beispiele für den Erfolg und den Optimismus in unserer Wirtschaft. In der Konjunkturumfrage der IHK wurde dies bestätigt, die meisten, der befragten Unternehmen, weisen auf volle Auftragsbücher, wollen sich erweitern und suchen inzwischen händeringend Fachkräfte. Unsere Netzwerke und Cluster verbinden und fördern kreative Zusammenarbeit. Lotsen im Rathaus kämpfen gegen den Amtsschimmel und erleichtern Antragstellungen. Nicht nur die Großkonzerne wurden in Leipzig stark befördert und unterstützt, auch die Förderprogramme für kleine und mittlere Unternehmen werden gern angenommen. Unsere Stadt pflegt erfolgreich Kontakte nach China, Japan und Vietnam, die Schweiz, Frankreich und in die USA und nicht nur dorthin. Unser Oberbürgermeister und wir mit der politischen Mehrheit zeigen uns weltoffen, hilfsbereit und dies auch mit kritischem Blick auf unsere Kräfte.
Es zeigt sich in Leipzig nun, dass vier Parteien gemeinsam die Verwaltungsspitzen stellen, streiten, dann aber für die Stadtratsbeschlüsse immer wieder auch gemeinsame Mehrheiten herstellen.
Genug der Lobeshymnen, zu denen wir stehen. Wo haben wir Sorgen, wo zeigen sich unsere politisch verschiedenen Ansätze, wo müssen wir Wege finden, eine nachhaltige Wirtschaftsform zu stärken, damit diese Entwicklungsrichtung so bleibt?
Die Globalisierung mit ihren Anforderungen und Risiken besteht. Ob z.B. aktuell Siemens weiter in Leipzig gute Chancen anerkennt oder hier Arbeitsplätze abbaut, ist ungewiss. Auch anderswo geht es nicht allen Arbeitnehmern gut, zeigt die sogenannte Leistungsgesellschaft ihre Risiken. Noch nicht überall gibt es mindestens Mindestlohn und Arbeitskämpfe finden regelmäßig statt. Nur wenn es den Arbeitsgebern und Arbeitnehmern miteinander gut geht, wenn auch Arbeitslose eine Chance dauerhaft bekommen, kann nachhaltig gewirtschaftet werden.
Doch die Stimmung in unserer Gesellschaft ist vielerorts getrübt und beeinflusst auch die wirtschaftliche Lage: Spätestens die Bundeswahlergebnisse ließen aufhorchen, bereits zuvor haben Legida, Pegida, destruktive Redner sowie Drohungen und Übergriffe über Monate die Attraktivität Sachsens weltweit gefährdet. Vor Ort ist mancher Ton rauer geworden.
Wie passt das zusammen: wirtschaftlicher Aufschwung und Erfolge auf der einen Seite und Unkenrufe, eine gezielte Verbreitung von Ängsten und aggressive Töne in der Gesellschaft auf der anderen? Wir wissen, die Globalisierung und die Wünsche zur Besitzstandswahrung führen aktuell in einigen Ländern zu Bewegungen der Abschottung, Ausgrenzung und Demokratiegefährdung. Wenn Wirtschaftsbeziehungen dadurch abbrechen, macht dies auch Unternehmen in unserer Stadt Sorgen.
Dabei sind wir die Stadt der friedlichen Revolution, haben dabei mit die Öffnung in die weite Welt gefeiert, freuen uns heute über internationale Erfolge im Fußball, wollen Tourismus genießen und selbst erfolgreiche Destination sein, setzen auch im Stadtrat auf Demokratie und Vernunft.
In Bonn mühen sich aktuell Staaten, unsere globale Zukunft vor Auswirkungen des Klimawandels zu bewahren, die lokal bereits ganze Landstriche untergehen lassen, Ursachen zu Flucht, Kriegen und Armut vermehren, Gefahren durch Hitze, Sturm, Überschwemmung ebenso verstärken wie Krankheiten und Freiheitsgrade für unsere nächsten Generationen.
Leipzig hat sich frühzeitig Ziele zur nachhaltigen Entwicklung gegeben, fördert einen Agenda 21 Prozess und wurde gerade für sein Bemühen erstmalig mit dem European Energie Award in Gold ausgezeichnet. Leipzig holt jährlich umfangreiche Fördermittel beruhend auf konkreten Projektbeschreibungen ein, die ebenso auf zukunftsfähiges Wirtschaften setzen. In gesellschaftlichen und politischen Diskussionen ist manchmal fraglich, ob diese bekannt sind. Auch heute beraten wir noch über eine verbesserte Unterstützung von Bioprodukten und Fairen Handel. Selbst der Regionalverband Leipzig des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) hat seine Mitglieder in der Region aufgerufen, ihren Gästen verstärkt fair gehandelte Produkte anzubieten. Als Fraktionen und Parteien sollen wir die verschiedenen Meinungen in der Bevölkerung abbilden und so ist es unsere Aufgabe als Bündnisgrüne, besonders auf Defizite im Umwelt- und Klimaschutz hinzuweisen, nachhaltiges Wirtschaften zu fördern, wozu auch Produktverantwortung gehört, eine nachhaltige Mobilität, die Stärkung einer verantwortlichen Liegenschafts- und Standortpolitik, die Sicherung des sozialen Wohnungsbaus, die Förderung der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung.
In diesem Sinne stellen wir Anträge und suchen Mehrheiten.
Sind unsere Anträge gut ausgearbeitet, empfehlen die Fachleute im Hause Zustimmung, geben andere Fraktionen sinnvolle Anregungen, stimmen wir auch ihnen zu. Das ist konstruktives Miteinander!
Ideologisches Wehklagen z.B. gegen Kohleausstieg, Windkraft, Biolandbau, Radfahrstreifen, mangelnde Elektromobilität und Digitalisierung wird nicht der Tatsache gerecht, dass eine nachhaltige Wirtschaftsweise langfristig auf Ressourcen achten muss, die entlastet werden, wenn bereits heute nachhaltig gewirtschaftet, fair gehandelt, sich umweltbewusst bewegt wird und Kreativität und Innovationen gefördert werden.
Auch wenn der politische Schlagabtausch dies nicht immer klarlegt: in den Berichten der Wirtschaftsförderung lesen sich manche Erfolge inzwischen im Gleichklang auch mit ersten bündnisgrünen Zielsetzungen, ist doch vieles aus den letzten Jahren nun in Gesetzen, Richtlinien, Förderprogrammen und auch städtischen Zielsetzungen angekommen bzw. „gesellschaftsfähig“.
Einen Luftreinhalteplan und einen Lärmaktionsplan benötigt Leipzig, damit gesünder in ihre gelebt werden kann. Mit Beschlüssen wie dem Klima- und Energiekonzept oder die Zielsetzung zur Stadt der intelligenten Mobilität, zur Stadtentwicklung, zur Wirtschaftsförderung und zum sozialen Wohnungsbau wird ebenso an der Zukunftsfähigkeit der Stadt gemeinsam gearbeitet wie mit den zahlreichen Projekten, die beim Bund oder der EU eingereicht werden, und dies fördern sollen.
Den Kohlendioxidverbrauch zu senken findet sich als Aufforderung aktuell in einem Großteil der Förderbedingungen des Landes, des Bundes und der EU. Kunden auch hier vor Ort fragen zunehmend die Produktionsbedingungen und ökologische Kriterien nach. Gewohnt wird gern in durchgrünten Stadtteilen und nicht an lauten Straßen. Unternehmen haben Sinn, Kultur und Soziales zu fördern, wenn sie selbst hier verankert sind, ihnen etwas liegt an ihrem Ruf vor Ort.
Inklusion und Integration stellen weiterhin Anforderungen. Langzeitarbeitslose, Migranten, sozial Bedürftige, Kranke, Menschen mit Behinderungen sind teilweise immer noch ungerecht benachteiligt und sie haben Ansprüche, die Grundlagen sind für friedliches und konstruktives Zusammenleben wie barrierefreie Zugänge, Betreuung, Entwicklung, Bildungszugänge, Sorge und Chancen für ihre Kinder und nächste Generationen.
Wir sollten die positive Entwicklung der Stadt und ihr Wachstum auch nicht zu kleinräumig betrachten. Die Strukturen zur kooperativen Stadt-Umland-Entwicklung sowie zur regionalen Entwicklung müssen gestärkt werden, was ein stärkeres Engagement im Freistaat notwendig macht. Bessere Verkehrsanbindung der Region über den öffentlichen Nahverkehr nützen den pendelnden Menschen, der Wirtschaft und unserer Gesundheit.
Das Ansehen Leipzigs weiter zu stärken und nicht zu schädigen, dazu bedarf es immer wieder einem Miteinander, das Probleme ernst nimmt und versucht zu lösen, Erfolge würdigt und Kreativität dazu fördert. Nachhaltiges Wirtschaften ist verbunden mit nachhaltiger Stadtentwicklung, sozialer Verantwortung und lebenslangem Lernen. Moderierend, fördernd und in Netzwerken verbindend soll die Stadt dies weiter zum Ziel haben, dafür setzen wir uns ein.