S-Bahn-Station „Markt“ – wo bleibt die Erinnerung an 1989? (Anfrage 1038/13)

Anfrage zur Ratsversammlung am 22.01.2013

S-Bahn-Station „Markt“ - Umsetzung des Stadtratsbeschlusses „Leipzig und '89: Erinnern, Bewahren und für die Zukunft nutzbar machen!“ (RBIV-814/07)
Am 14. Dezember 2013 wurde der City-Tunnel in Leipzig eröffnet. Auf www.citytunnelleipzig.de ist zu lesen: „Die vier unterirdischen Stationen sind von namhaften Architekten nach funktionalen wie nach ästhetischen Gesichtspunkten entworfen worden. Schnelle Zugänglichkeit, Helligkeit und Transparenz waren die Leitgedanken, nach denen bei der Planung vorgegangen wurde. Jede Station hat ihr individuelles, ihrer Lage und Funktion entsprechendes Gesicht erhalten.“ Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vermisst bei der Gestaltung der Station „Markt“ die Berücksichtigung des einstimmig gefassten Stadtratsbeschlusses vom März 2007 „Leipzig und '89: Erinnern, Bewahren und für die Zukunft nutzbar machen!“, der auf unsere Initiative zurückging. Dort heißt es: „Gestaltung der „U-Bahn-Station Markt“ zum zentralen Ausgangspunkt zu den Orten der Friedlichen Revolution des Herbstes 1989“. Die Stadtverwaltung sollte mit „besonderer Dringlichkeit“ diesbezüglich eine Abstimmung mit der Bahn AG suchen.

Deshalb fragen wir:

  1. Was hat die Stadtverwaltung unternommen, damit die Station „Markt“ im Sinne des Stadtratsbeschlusses zum zentralen Ausgangsort zu den Orten der friedlichen Revolution des Herbstes 1989, wie die „Runde-Ecke“, das „Haus der Geschichte“, das „Stadtgeschichtliche Museum“ oder die Nikolaikirche, gestaltet wird?
  2. Vor dem Hintergrund, dass sich 2014 die friedliche Revolution zum 25. Mal jährt, fragen wir weiter an: Welche Möglichkeiten gibt es, dass die oben genannte Idee, rechtzeitig vor den Feierlichkeiten am 9. Oktober 2014, doch noch umgesetzt werden kann?

Die Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung hier als Protokollauszug:

Bürgermeister Faber führt aus, der im März 2007 vom Stadtrat gefasste Beschluss „Leipzig und ´89: Erinnern, bewahren und für die Zukunft nutzbar machen!“ sei ein Meilenstein für die Auseinandersetzung mit dem Thema Friedliche Revolution in Leipzig gewesen. Mit diesem Beschluss sei die Stadtverwaltung aufgefordert worden zu prüfen, mit welchen Maßnahmen das Andenken an 1989 stärker wach gehalten und wie die zentrale Rolle Leipzigs deutlicher als bis dahin herausgestellt werden könne. Darüber hinaus sei in der Begründung zu dem Antrag eine Fülle von Ideen enthalten gewesen, wie dies gelingen könne, darunter auch der Vorschlag, auf den die Anfrage sicherlich Bezug nehme.

Maßgeblich für die weitere Arbeit sei der im April 2009 gefasste Grundsatzbeschluss zum 9. Oktober geworden. Mit diesem Beschluss sei der 9. Oktober als städtischer Gedenktag eingeführt worden. Es sei festgelegt worden, dass der 9. Oktober jährlich in einem würdigen Rahmen begangen werden solle, der daran erinnere, welche herausragende Bedeutung die Friedliche Revolution nicht nur für Deutschland, sondern für die europäische Entwicklung und Geschichte habe. Darüber hinaus seien in dem Grundsatzbeschluss die Planungen festgehalten, wie die Erinnerung an die Friedliche Revolution in der Stadt Leipzig verankert werden solle. Dazu gehörten das Freiheits- und Einheitsdenkmal, die Demokratiekonferenz, die Demokratieglocke, die Stiftung eines Grundstockvermögens für die Stiftung „Friedliche Revolution“ in Höhe von 150.000 €, die Benennung einer Straße oder eines Platzes nach der Friedlichen Revolution und das Stelenprojekt „Orte der Friedlichen Revolution“ des Bürgerkomitees Leipzig e. V.

Der Vorschlag, die S-Bahn-Station „Markt“ zum zentralen Ausgangspunkt zu den Orten der Friedlichen Revolution zu machen, sei dort nicht aufgenommen worden. Allerdings sei im Rahmen des Stelenprojektes durch das Bürgerkomitee auch eine Stele am Markt vorgesehen worden. Man habe Einigkeit darüber erzielt, dass statt der Stele eine Tafel am historischen Eingang zum ehemaligen Untergrundmessehaus angebracht werden solle. Nachdem aufgrund der City-Tunnel-Baustelle bis Ende 2013 eine Konkretisierung der Planung nicht möglich gewesen sei, werde es Anfang Februar einen Ortstermin der betroffenen städtischen Ämter gemeinsam mit dem Bürgerkomitee zur Einordnung der Wandtafel am Untergrundmessehaus geben.

Den Bezug zur Friedlichen Revolution weise nun die City-Tunnel-Station am Wilhelm-Leuschner-Platz aus; denn mit Ratsbeschluss vom 17. November 2011 sei ein Teil des Wilhelm-Leuschner-Platz als „Platz der Friedlichen Revolution“ benannt worden. Dieser Name spiegele sich auch an der Station wider. Allerdings sei aufgrund der Layout-Vorschriften der Deutschen Bahn eine gleichberechtigte Verwendung beider Namen nicht möglich gewesen. Deshalb habe die Stadt Leipzig der Ergänzung des Stationsnamens „Wilhelm-Leuschner-Platz“ mit „Platz der Friedlichen Revolution“ in schwarzer Schrift auf weißem Grund auf der Bahnsteigebene zugestimmt. Die Beschilderung sei inzwischen in dieser Form erfolgt.

Bürgermeister Faber verweist auf die Feierlichkeiten anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Friedlichen Revolution. Die Vorlage hierzu stehe heute unter Tagesordnungspunkt 16.4 auf der Tagesordnung der Ratsversammlung. Diese Vorlage und die jetzt von ihm beantwortete Anfrage stünden selbstverständlich in engem Zusammenhang. Deshalb wolle er an dieser Stelle kurz etwas zu der Vorlage „25 Jahre Friedliche Revolution“ sagen.

Die Verwaltung wolle das Jubiläum ganz im Sinne der Beschlüsse von 2007 und 2009 dazu nutzen, weit über die Stadt hinaus an das zu erinnern, was den Leipzigern dank ihrer Zivilcourage gelungen sei. Das 25-jährige Jubiläum werde die nationale und internationale Aufmerksamkeit auf Leipzig richten. In der Vorlage schlage die Verwaltung vor, für das Jubiläum insgesamt 500.000 € zur Verfügung zu stellen, davon 425.000 € für das Lichtfest.

Seit 2009 sei die Stadt Leipzig ein ganzes Stück weit in die Mitte des europäischen Geschichtsbewusstseins gerückt. Diesen Weg wolle man vor dem Hintergrund der bereits vorliegenden Beschlüsse weitergehen. Davon, dass dies gelingen könne, zeugten die für den 9. Oktober 2014 bereits vorliegenden Zusagen des Bundespräsidenten und der Staatspräsidenten von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei sowie die Zusage des damals tätigen US-Außenministers James Baker. Herr Kissinger werde ebenfalls kommen.

Mit dem Lichtfest, den Projekten des bürgerschaftlichen Engagements sowie den protokollarischen Veranstaltungen könne man den städtischen Gedenktag würdig begehen. Allerdings müsse er, Faber, schon jetzt sagen, dass die Summe für das Lichtfest, die mit 200.000 € aus dem erhöhten Zuschuss an LTM und mit 225.000 € aus dem Budget für Jubiläen finanziert werde, unbedingt erforderlich sei. Sie liege bereits jetzt 25.000 € niedriger als die Summe, die 2009 zur Verfügung gestanden habe. Wenn es zu einer Kürzung kommen sollte, wie sie im Falle der Zustimmung zu dem vorliegenden Änderungsantrag notwendig wäre, wäre das Lichtfest in ernsthafter Gefahr. Daher bitte er den Stadtrat, der Vorlage „25 Jahre Friedliche Revolution“ in der vorliegenden Fassung zuzustimmen.

Stadtrat Sasama (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) konstatiert, dass Bürgermeister Faber der damaligen Aufforderung des Stadtrates, mit der Deutschen Bahn AG intensiv über eine Gestaltung der Bahnstation „Markt“ zu sprechen, nicht gefolgt sei und dies auch nicht zu tun beabsichtige. Denn auf dieser Bahnstation habe ja auf die besonderen Orte der Friedlichen Revolution hingewiesen werden sollen. Der Bürgermeister habe die Gedenktafel erwähnt, weitere Aktivitäten in dieser Richtung aufgrund der damaligen Empfehlung habe er, Sasama, den Ausführungen des Bürgermeisters allerdings nicht entnehmen können.

Bürgermeister Faber berichtet, dass er mehrmals mit der Bahn verhandelt habe. Ursprünglich habe er sogar die Absicht gehabt, den beiden Ausgängen unterschiedliche Zweitnamen zu geben, nämlich „Platz der Friedlichen Revolution“ in Richtung Stadtinneres und „Stadtbibliothek“ in Richtung Süden. Es sei auch darüber diskutiert worden, ob Schautafeln und andere Werbeflächen zur Veröffentlichung von Dokumentationsmaterial und Erinnerungsstücken genutzt werden könnten. Ihm sei mitgeteilt worden, dass die Stadt Leipzig diesbezüglich wie jeder andere kommerzielle Anbieter behandelt würde. Er, Faber, räume ein, dass die Verwaltung in den Verhandlungen mit der Bahn ihre Ziele leider nicht habe durchsetzen können und dass man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt habe.

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