Sportbezogene Jugendsozialarbeit installieren (Antrag 405/13)

Beschlussvorschlag:

  1. Die Stadt Leipzig installiert in Grünau als Modellgebiet sportpädagogische Jugendsozialarbeit mit dem Ziel einer Persönlichkeitsbildung von Jugendlichen in sozial schwierigen Kontexten. Der Stadtsportbund und ggf. weitere erfahrene Akteure aus dem Sport- oder Jugendhilfebereich sind einzubeziehen.
  2. Das Projekt soll auf drei Jahre angelegt sein und durch eine wissenschaftliche Untersuchung begleitend auf seine Wirksamkeit untersucht werden.
  3. Anschließend ist erneut zu entscheiden, ob sportbezogene Sozialarbeit aufgrund der Ergebnisse auf weitere Stadtteile ausgeweitet werden wird.

Begründung:

Sport und Sportvereine sind für sportlich aktive Heranwachsende eine wichtige Säule der Freizeitgestaltung. Neben dem persönlichen Freizeitwert für den Einzelnen übernehmen diese Sportvereine für die Gesamtgesellschaft mit ihrem Angebot die Übermittlung gewünschter Kompetenzen, die sich positiv auf die Persönlichkeitsbildung auswirken indem sie die Ausbildung und Festigung von sozialen Kompetenzen wie Fairness, Respekt vor dem Gegner, Akzeptanz von (Spiel-)Regeln, Teamgeist, prosoziales Verhalten und Durchhaltevermögen fördern.

Viele Sport- und Vereine der Jugendhilfe unterbreiten jetzt schon zahlreiche Angebote, über deren wachsenden Erfolg und Annahme wir uns sehr freuen. Die stetig wachsenden Mitgliederzahlen bei den Sportvereinen besonders im Kinder- und Jugendbereich sind dafür beredter Ausdruck. Eine sportlich-aktive Freizeitgestaltung, also eine außerschulische Alternative, Körperwahrnehmung zu schulen und soziales Lernen mit Sport- und Bewegungsbezug zu erfahren, ist eine wichtige Voraussetzung für eine ausgewogene ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung.

Aber wie ist die Situation für Jugendliche, die diese Angebote nicht erreicht? Etliche Jugendliche werden aus ihrer motorischer Unterforderung, Frustration heraus eher kriminell, sie müssen "Dampf ablassen", sie zerstören, denken und handeln destruktiv und verhalten sich orientierungslos.
Dergleichen negatives jugendliches Verhalten fällt derzeit insbesondere in Grünau öffentlich auf.
Die vorhandenen sozialpädagogischen Maßnahmen, das Bemühen des Alleecenter-Managements, die Interventionen der Polizei konnten die Situation bisher nicht befriedigend entspannen. Aber dieses erwartet die Nachbarschaft, die Kundschaft, der Stadtteil zu Recht.

Eine positive Verhaltensveränderung ist eher weniger durch äußeren Druck und Strafe erreichbar. Dies zeigen vor allen Dingen die schon länger bekannten lerntheoretischen Studien aus den 1970er und 1980er Jahren. Gerade in diesen Peergroups herrschen andere Regeln, so steigt der Respekt vor einander je mehr man sich widerstandsfähig gegen gesellschaftlichen Autoritäten oder Erwartungen zeigt. Eine weitere und alternative Möglichkeit, eine Verhaltensänderung in Richtung der Entwicklung von Sozialkompetenz sowie zu prosozialem Verhalten zu erreichen, bietet die sportbetonte Jugendsozialarbeit.

Der Ansatz sportbezogener Jugendsozialarbeit wird in Deutschland insbesondere in Berlin verfolgt. Hier arbeitet schon seit mehr als 20 Jahren der Verein für Sport und Jugendsozialarbeit e.V. (vsj). Der vsj wirkt in sozialen Brennpunkten Berlins und intendiert u. a., durch sportbezogene Jugendsozialarbeit im Rahmen sog. Sportjugendclubs (Sportjugendclubs ähneln stark den traditionellen Jugendzentren) zur Persönlichkeitsbildung der betreuten Jugendlichen beizutragen. Diese Form der sportbezogenen Jugendsozialarbeit des vsj wurde im Jahr 2008 von Schliermann und Stoll (2008) im Rahmen einer eindrucksvollen, quasi-experimentell ausgerichteten Längsschnittstudie wissenschaftlich evaluiert. Hierbei standen insbesondere die Wirkungen dieser Intervention (im Vergleich zu einer Gruppe Jugendlicher ohne diese Form der Sozialarbeit) auf ausgewählte Persönlichkeitsbereiche im Fokus. Das von Schliermann und Stoll (2008) untersuchte Klientel beinhaltete unter jugendsozialarbeitstypischen Praxisbedingungen insbesondere sozial benachteiligtes und unterprivilegiertes Klientel; einen hohen Anteil an Scheidungskindern; und einen hohen Prozentsatz bereits straffällig gewordener Jugendlicher. Wie die Studie von Schliermann & Stoll (2008) zeigt, bewegen sich beispielsweise die Werte der Experimentalgruppe, also diejenige, die in den Genuss der sportbezogenen Jugendsozialarbeit kamen, für die Einschätzung auch dann noch an einer persönlichen Zielerreichung festzuhalten,  wenn sich Schwierigkeiten auftun (allgemeine Selbstwirksamkeit), innerhalb des Interventionszeitraums auf einem relativ konstant bleibenden Niveau. Bezüglich der Bedingungen im vorliegenden Kontext der Jugendsozialarbeit werden solche konstanten Verläufe über längere Zeiträume hinweg (in der Studie immerhin über sechs Monate) im Allgemeinen bereits als pädagogischer Erfolg gewertet. Darüber hinaus profitierten die Jugendlichen mit sportbezogener Jugendsozialarbeit vergleichsweise von einem positiveren Körperbild sowie in einer höheren positiven Einschätzung ihrer sport-motorischen Fähigkeiten.

(Quelle: Schliermann, R. & Stoll, O. (2008). Wirken Sportangebote der Jugendsozialarbeit auf ausgewählte Persönlichkeitsbereiche? Neue Praxis, 2, 160-172)


Beschluss der Ratsversammlung vom 10. Juli 2013

Der Oberbürgermeister bezieht im Rahmen der Umsetzung des Fachplanes Kinder- und Jugendförderung verstärkt Sportvereine in den Planungsräumen in die Kinder- und Jugendarbeit ein. Dabei können die Sozialpädagog/innen aus den Angeboten unterstützend für die Übungsleiter/innen in den Sportvereinen wirken.

Votum: mehrheitlich angenommen bei 1 Gegenstimme

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