Torgauer Straße – Investitionen in die Ertüchtigung als Unterkunft für Asylbewerber (Anfrage 1199/14)

Anfrage in der Ratsversammlung am 16.07.2014:

Der Oberbürgermeister hat am 24.6. (siehe Anlage S. 2) in der Leipziger Volkszeitung angekündigt, dass die Stadt Leipzig in die Asylbewerberunterkunft in der Torgauer Straße investieren müsse, da die seit einem Jahr anhaltend hohe Zuweisung von Flüchtlingen nach Leipzig die weitere Betreibung dieses Hauses erfordere. Er verweist auf die noch in 2014 erwarteten weiteren 1300 Asylbewerber und –bewerberinnen.
Der Stadtrat hat auf Initiative der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2010 die dezentrale Unterbringung zum obersten Prinzip erklärt. Damit hat sich Leipzig in Sachsen zum Wegbereiter der Abkehr von Massenunterkünften gemacht, 4 Jahre später hat sogar das Innenministerium die Unterbringung Asylsuchender in Wohnungen zum Ziel erklärt. Mit dem hohen Anstieg der Flüchtlinge und der Schwierigkeit in kurzer Zeit viele kleine Gemeinschaftsunterkünfte einzurichten, hat der Stadtrat im Dezember 2013 Interimslösungen befürwortet. Die Ertüchtigung der Torgauer Straße kann eine solche Maßnahme sein. Warum sie aber nicht schon längst baulich ertüchtigt wurde, ist nicht zu begreifen.

Schon 2012 hat das zuständige Fachamt wegen der steigenden Flüchtlingszahlen das Haus 1 in der Asylbewerberunterkunft in der Torgauer Straße zu sanieren, diskutiert.

Die Unterbringung von Flüchtlingen ist eine Pflichtaufgabe der Stadt Leipzig. Es ist Anspruch des Stadtrates der Stadt Leipzig, dass die Unterbringungen menschenwürdig angeboten werden.

Wir fragen daher an:

  1. Warum ist der Oberbürgermeister der Empfehlung seines Fachamtes 2012 und 2013 nicht gefolgt?
  2. Wie plant die Stadtverwaltung den gleichzeitigen Ausbau der dezentralen Unterbringungskapazitäten für die angekündigten Flüchtlinge, wenn derzeit weiterhin 56 % der Asylbewerberinnen und –bewerber in Leipzig dezentral untergebracht sind?
  3. Da der Oberbürgermeister sich äußerte, dass es weiterhin zentrale Unterbringungen bräuchte: wo werden neue zentrale Unterbringungen geplant und welcher Zeitrahmen ist vorgesehen?

LVZ 24.6.2014:

»Mehr Flüchtlinge - zentrales Asylbewerberheim bleibt
Oberbürgermeister kündigt bauliche Investitionen in Torgauer Straße an, obwohl Unterkunft eigentlich geschlossen werden soll

Von Gitta Keil

In Leipzig wird die zentrale Unterkunft für Asylbewerber nun doch nicht geschlossen. "Wir werden an der Torgauer Straße festhalten müssen und noch einmal baulich investieren", sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Ursprünglich war vorgesehen, das marode Heim mit mehreren hundert Plätzen zu schließen. Jung hatte die Zustände dort als unhaltbar bezeichnet. Stattdessen sollten Asylbewerber in der Messestadt dezentral in kleineren Unterkünften und Wohnungen untergebracht werden. Als Grund für den Erhalt des großen Heimes nannte der OBM nun die hohe Zahl von Flüchtlingen, die nach Leipzig geschickt würden. Derzeit gebe es in der Stadt 1700 Asylbewerber. Für das Jahr 2014 solle ihre Zahl um weitere 1300 Menschen steigen.
"Wir können nicht so viele Menschen allein dezentral unterbringen. Wir werden weiter zentrale Unterkünfte brauchen, um das zu bewältigen", sagte Jung. Derzeit gebe es noch Platz für 140 Personen. Das Konzept heiße in Leipzig: Eine zentrale Anlaufstelle, dann Wechsel in kleinere Unterkünfte und dann, wenn möglich Wohnungen. "Ich glaube, dass das dem sozialen Frieden dient", so der OBM. Ähnlich wie andernorts hatte es auch in Leipzig Proteste gegen die geplante Unterbringung in Wohnungen gegeben. Mittlerweile leben in der Stadt 56 Prozent der Asylbewerber in Wohnungen. Pro Jahr koste ein Platz pro Asylbewerber 9000 Euro. Davon trage der Freistaat 7600 Euro. Die Kommune zahlt jährlich 2,8 Millionen Euro für die Unterbringung der Asylbewerber. Dazu kämen nochmals 2,3 Millionen Euro für die sogenannten geduldeten Ausländer, für die es keine Mittel vom Land gebe. In Sachsen herrscht in zahlreichen Asylunterkünften Platznot. Vor diesem Hintergrund war es 2013 in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Chemnitz zu gewalttätigen Auseinandersetzungen unter Bewohnern gekommen. In Bautzen können Asylbewerber ab Juli in einem Hotel wohnen. Es bietet Platz für bis zu 150 Menschen. Laut sächsischem Innenministerium lebten Ende 2013 rund 8000 Asylbewerber im Freistaat. Für 2014 könnten noch einmal 7000 dazukommen.«


Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 16. Juli 2014:

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian führt aus, der Anstieg der Zuweisungszahlen sei in diesem Ausmaß nicht absehbar gewesen. Im Jahr 2014 werde sich die Zahl der Zuweisungen gegenüber 2013 verdoppeln. In diesem Jahr werde ihre Zahl 1.335 betragen, im vergangenen Jahr seien es 658 gewesen. Im Vergleich zum Jahr 2012 werde sich die Zahl der Zuweisungen sogar mehr als verdreifachen.

Im Sozialamt seien zwei zusätzliche Personalstellen geschaffen worden, um die dezentrale Unterbringung zu koordinieren und damit verbundene Anträge zu bearbeiten. Die soziale Betreuung an den Unterkünften habe auch die Aufgabe, beim Umzug in dezentralen Wohnraum Unterstützung zu geben. Die Verwaltung stimme sich mit lokalen Wohnungsanbietern ab, um dezentralen Wohnraum für Flüchtlinge zu binden.

Derzeit würden mehrere Standorte geprüft. Ergebnisse würden im dritten Quartal 2014 vorliegen.

Stadträtin Krefft (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) möchte wissen, welche Aktivitäten die Verwaltung unternehme, um die erwähnten lokalen Wohnungsanbieter anzusprechen.

Der Bürgermeister wolle also im dritten Quartal davon in Kenntnis setzen, an welchem Standort eine Großunterkunft gebaut wird. Sie, Krefft, frage, ob das bedeute, dass diese neue Großunterkunft ersatzweise für die Torgauer Straße eingerichtet werden soll, oder ob sie zusätzlich kommen werde.

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian antwortet, ursprünglich sei diese Unterkunft als Ersatz geplant gewesen, nunmehr aber werde sie zusätzlich kommen. Das Konzept sei seinerzeit unter der Annahme erarbeitet worden, dass sich die Zahlen im damaligen Umfang weiterentwickeln würden. Inzwischen sei es zu einer sprunghaften Erhöhung gekommen, und ein Ende dieser Entwicklung sei nicht absehbar. Die Verwaltung unternehme alle Anstrengungen, um an der Orientierung auf dezentrale Unterbringung festzuhalten. Er, Fabian, sei stolz darauf, dass deutlich mehr als 50 % der Flüchtlinge in eigenem Wohnraum untergebracht seien, teilweise auch in vom Sozialamt gemieteten Wohnungen. Den Flüchtlingen sei es wahrscheinlich egal, ob sie den Mietvertrag selbst unterzeichnet haben oder das Sozialamt. Zu großen Teilen umgesetzt sei auch das Konzept in Richtung kleinere Wohnhäuser.

Aber angesichts der rasanten Entwicklung werde man zusätzlichen Wohnraum für Flüchtlinge benötigen. Es treffe zu, dass derzeit nicht absehbar sei, wann auf die Unterkunft in der Torgauer Straße verzichtet werden könne, und es treffe auch zu, dass eine weitere größere Unterkunft errichtet werden müsse, in der Flüchtlinge für sechs bis zwölf Monate untergebracht würden und dann in kleinere Häuser oder in eigenen Wohnraum umziehen. Für die Ankunft von Flüchtlingen in Leipzig brauche man zunächst größere Gemeinschaftsunterkünfte zur Orientierung, zur intensiveren sozialen Betreuung und dergleichen. Es zeige sich, dass eine unmittelbare Vermittlung in eigenen Wohnraum wenig zielführend sei.

Prof. Dr. Fabian betont, er wolle die deutsche Großstadt benannt haben, die diesen Weg erfolgreicher gehe als die Stadt Leipzig.

Stadträtin Krefft (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) merkt an, dass die Frage nach den eigenen Aktivitäten des Bürgermeisters bezüglich der lokalen Wohnungsanbieter noch nicht beantwortet sei.

Seitdem der Stadtrat den Beschluss zur weitgehend sozialen Unterbringung gefasst habe, sei darauf hingewiesen worden, dass mit steigenden Flüchtlingszahlen zu rechnen sei. Sie, Krefft, wundere sich über die Begründung des Bürgermeisters zu Frage 1, wonach die steigenden Flüchtlingszahlen Grund dafür seien, dass den Empfehlungen des Fachamtes nicht gefolgt worden sei. Dies sei ein Widerspruch in sich.

Prof. Dr. Thomas Fabian antwortet zur Frage nach den eigenen Aktivitäten, dass diese durch das Fachamt unternommen würden. Man habe extra dafür eine Stelle eingerichtet, die mit den Wohnungsbaugenossenschaften, mit Haus & Grund und verschiedenen privaten Vermietern verhandele, um in noch stärkerem Maße dezentralen Wohnraum zu organisieren. Es sei nicht einfach, geeigneten Wohnraum zu finden. Hinzu komme, dass die Flüchtlinge motiviert werden müssten, in diesen Wohnraum zu ziehen. Es gebe nämlich eine Reihe von Flüchtlingen, die durchaus gern in den Gemeinschaftsunterkünften wohnen wollen.

Der Bürgermeister bekräftigt, dass es im Jahr 2012 nicht absehbar gewesen sei, dass sich die Flüchtlingszahlen in dieser Größenordnung entwickeln würden. Inzwischen sei man zu der Erkenntnis gelangt, dass auch Geld für Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen in der Torgauer Straße in die Hand genommen werden müsse, weil derzeit nicht absehbar sei, wann dieses Objekt aufgegeben werden könne. Dies sei vor zwei Jahren und auch im letzten Jahr in dieser Form nicht vorhersehbar gewesen. Selbst in diesem Jahr sei es so, dass die Verwaltung alle zwei Monate vom Freistaat bzw. von der Landesdirektion erhöhte Prognosezahlen bekommen habe.

Stadträtin Krefft (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) fragt, ob sich Bürgermeister Prof. Dr. Fabian zur Person vorstellen könne, einen Runden Tisch zu dieser Thematik einzuberufen. Sie wisse von vielen Akteuren aus dem Wohnungsbereich, vor allem aus den Genossenschaften, aber auch von privaten Anbietern, dass sie mit ihren Vorschlägen und mit ihrer Bereitschaft, Wohnungen als kleine Gemeinschaftsunterkünfte einzurichten, im Sozialamt nicht weiterkommen.

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian äußert, bevor er einen Runden Tisch einrichte, habe er die Bitte an Frau Krefft, diejenigen, die Angebote unterbreiten, an ihn persönlich zu verweisen. Dann werde er sich gern mit denen zusammensetzen. Er habe übrigens auch schon mit Wohnungsbaugenossenschaften persönlich verhandelt. Bevor er einen Runden Tisch einberufe, wolle er gern wissen, wer im Sozialamt nicht vorankomme, was er sich kaum vorstellen könne. Er werde sich dann darum kümmern.

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